Das Zürcher Warenhaus Jelmoli hat wegen eines kritischen Artikels im «Tages-Anzeiger» sämtliche Inserate im Tamedia-Blatt sistiert, wie aus Mails, die dem Klein Report vorliegen, hervorgeht. Dem «Tages-Anzeiger» gehen so dem Vernehmen nach Werbeeinnahmen in der Höhe von mehreren Zehntausend Franken verloren.
Peter Aeschlimann schrieb im «Tagi» vom Mittwoch unter dem Titel «Sexistische Schaufensterpuppen» über eine missglückte Schaufenstergestaltung von Jelmoli in Zürich: Das Warenhaus hatte - in Anlehnung an die US-Erfolgsserie «Mad Men», in welcher der alltägliche Sexismus in der Werbebranche der 1960er-Jahre thematisiert wird - Schaufenster mit sexuell anzüglichen Büroszenen gestaltet. Während die TV-Serie das Thema zynisch, intelligent und doppelbödig angeht, sind die Jelmoli-Schaufenster in Zürich doof, sexistisch und frauenverachtend - so der Tenor des «Tagi»-Artikels, respektive der von ihm zitierten Expertinnen.
«`Mad Men` ist fantastisch. Da wird nicht der Sexismus zelebriert, sondern demontiert, weil er so offensichtlich ist. `Mad Men` ist ironisch, zynisch, genial», so Regula Stämpfli gegenüber dem Klein Report am Mittwoch. «Was Jelmoli daraus macht, ist einfach nur doof. Echt doof. Wirklich doof. Unfassbar doof», enerviert sich die engagierte Politologin. «Die Intelligenz zu beleidigen, ist eine Frechheit. Den guten Geschmack zu beleidigen, ist auch nur geschmacklos. Ich hoffe, die in ihrer Intelligenz, Schönheit, Witz und Humor beleidigten Jelmoli-Kundinnen realisieren dies nicht nur, sondern ziehen auch klare Konsumkonsequenzen daraus», sagt Stämpfli. Bei Jelmoli sollte man mittlerweile gemerkt haben: Nie das Publikum unterschätzen! Stämpfli: «Es gibt brilliante Werbekampagnen, die mit den Geschlechterrollen spielen, die Jelmoli-Schaufenster gehören sicher nicht dazu.»
Die Berichterstattung im «Tages-Anzeiger» ist dem Warenhauskonzern offenbar derart sauer aufgestossen, dass das Modehaus kurzerhand seine Inserateaufträge im «Tages-Anzeiger» storniert hat. Jelmoli wollte diese Entscheidung am Mittwoch gegenüber dem Klein Report nicht kommentieren: «Wir diskutieren unsere Geschäftsbeziehungen nicht öffentlich und können daher Ihre Fragen nicht beantworten», liess Astrid Gloor, Abteilungsleiterin Marketing/Werbung, verlauten. Ähnlich zugeknöpft reagierte das Verlagshaus Tamedia: «Zu einzelnen Kundenbeziehungen nehmen wir keine Stellung», sagte Eliane Gräser, Projektleiterin Unternehmenskommunikation, auf Anfrage des Klein Reports.
Pikantes Detail: Wie aus dem Mailverkehr, der dem Klein Report vorliegt, hervorgeht, hätte der «Tagi»-Artikel ursprünglich auch online auf Newsnetz publiziert werden sollen. Dies wurde aber kurzerhand von höherer Stelle unterbunden, offensichtlich aus Angst vor weiteren Inseratestornierungen von Jelmoli.
Darauf angesprochen, meinte Eliane Gräser etwas fadenscheinig: «Dem Newsnetz steht eine beschränkte Anzahl Artikel aus der Printversion des `Tages-Anzeigers` zur Verfügung, die sie für die Onlineleser kostenlos publizieren. Die Auswahl der Artikel trifft die Newsnetz-Chefredaktion nach publizistischen Kriterien.»
Kaum war die Jelmoli-Geschichte draussen, füllten sich die Facebook-Kommentare. «Es ist klar, dass sich ein Unternehmen, welches Inserateboykott gegen die Meinungsäusserungsfreiheit betreibt, selber am meisten schadet», meint Regula Stämpfli. Für sie wäre es besser gewesen, die Kritikerinnen des Schaufensters zu einer neuen Aktion bezüglich Spiel der Geschlechter, Mode und Zeitgeist einzuladen. «Aber eben: So etwas passiert nur in den USA, wo beispielsweise die Simpsons die beste Werbung für Fox betreiben, indem sie Fox völlig lächerlich machen.»