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Dienstag
09.07.2019

TV / Radio

Der Männeranteil bei SRF liegt «je nach Sendung zwischen 60 und 94 Prozent»

Der Männeranteil bei SRF liegt «je nach Sendung zwischen 60 und 94 Prozent»

Schluss mit Vorwänden und Ausreden: Noch immer sind Frauen im Programm von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) massiv untervertreten. «Es gibt Handlungsbedarf», schreibt TV-Chefredaktor Tristan Brenn in einem internen Newsletter. Ein neues Projekt in der SRF-Pipeline soll das Problem nun endlich lösen.

Als Vorbild dient die BBC beziehungsweise die «50:50»-Initiative, welche sich beim britischen Fernsehkonzern in Sachen Gender-Gleichstellung als veritables Wundermittel erwiesen hat.

So lag der Anteil aller BBC-Sendungen, in denen Wortmeldungen von Frauen mindestens die Hälfte ausmachten, zum Zeitpunkt der Lancierung des Projektes bei nur gerade 27 Prozent. Ein Jahr danach, im April 2019, war das Geschlechterverhältnis in 74 Prozent der Sendungen ausgeglichen.

«Doch wie gelang es der BBC plötzlich, das Problem der Unterrepräsentation von Frauen zu lösen, nachdem jahrelang zwar alle von dem Problem redeten, es aber gewissermassen als naturgegeben ansahen und deshalb nichts unternahmen?», fragte Tristan Brenn im SRF-internen Newsletter.

Die BBC habe zunächst damit begonnen, Männer- und Frauenauftritte in jeder einzelnen Sendung systematisch zu erfassen und auszuwerten, so Brenn über das Projekt «50:50», das bei der BBC auf freiwilliger Basis durchgeführt wurde – anstatt eine Frauenquote festzuschreiben, wurde ein interner Wettbewerb lanciert.

Der laut Tristan Brenn «letztlich entscheidende Punkt» für den Erfolg war, den Leuten klarzumachen, dass es bei der Initiative nicht nur um Gleichberechtigung, sondern auch um journalistische Qualität gehe. «Wer immer nur Männer befragt, weil diese in der Mehrheit an der Spitze der Unternehmen oder Regierungen stehen, verengt den öffentlichen Diskurs und lässt Perspektiven, Meinungen und Expertisen verarmen.»

Meinungsarmut aufgrund männerdominierter Sendungen? Tristan Brenns Erkenntnis, die er von BBC-Moderator Ros Atkins übernimmt, lässt den Klein Report aufhorchen. Denn auch bei SRF selber wurde die tiefe Präsenz von Frauen in Sendungen unter anderem damit gerechtfertigt, dass es schlicht zu wenig Frauen in Chef-Positionen gäbe, die man einladen könnte.

Frauen seien nach wie vor «unterrepräsentiert in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft», begründete beispielsweise «Club»-Moderatorin Barbara Lüthi im Oktober 2018, weshalb nicht mehr weibliche Gäste in ihrer Runde sassen. Es gehe schliesslich darum, «die jeweils kompetentesten Personen zu einem Thema einzuladen», so Lüthi, als Kritik an der männlich-einseitigen Zusammenstellung des «Clubs» laut wurde.

Begründungen für die hohe Männer-Präsenz bei SRF gab es also schon damals zur Genüge. Nur konkrete Lösungsansätze, wie auch Frauen vermehrt zu Wort kommen sollen, waren bis dato rar. Mit dem erfolgreichen BBC-Modell als Richtschnur soll sich das nun ändern. «Kann die BBC ein Vorbild für unsere Sendungen sein, ja für ganz SRF? Auf jeden Fall!», so Brenn fast schon euphorisch.

Einzelne «Pilot-Teams» aus der Chefredaktion TV hätten inzwischen erste Daten erhoben. Und die Resultate zeigen den Handlungsbedarf in aller Deutlichkeit auf: Je nach Sendung betrage bei SRF der Männeranteil «zwischen 60 und 94 Prozent», schreibt Tristan Brenn. Der Weg zu einer ausgeglichenen Vertretung beider Geschlechter ist also noch weit.