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Donnerstag
21.10.2021

Medien / Publizistik

Julian Reichelt, so, wie ihn «Die Zeit» in einer Vorankündigung zu einem Artikel über die Vorgänge in Berlin sieht...                  (Bild: «Die Zeit»)

Julian Reichelt, so, wie ihn «Die Zeit» in einer Vorankündigung zu einem Artikel über die Vorgänge in Berlin sieht... (Bild: «Die Zeit»)

Der Autor des Beitrags in der «New York Times», in dessen Folge «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt per sofort von seinen Aufgaben entbunden wurde, wundert sich über diesen Schritt.

Das Verlagshaus Axel Springer habe schon vor der Veröffentlichung der «New York Times» alle wesentlichen Vorwürfe gekannt, erklärt Ben Smith in einem Interview mit der Wochenzeitung «Die Zeit», wie diese in einer Vorabmeldung zur Ausgabe vom 21. Oktober schreibt.

Über seine Medienkolumne vom vergangenen Sonntag sagt Ben Smith: «Darin stand nicht viel, was die Juristen von Axel Springer nicht schon wussten. Sie hatten die Informationen bereits aus einer internen Untersuchung.» Aus einem Protokoll der Untersuchung, das ihm vorliege, lasse sich schliessen, «dass die Beziehungen des Chefredaktors allgemein bekannt waren».

«Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt wurde am Montag von seinen Aufgaben entbunden. Am Sonntag war eine Medienkolumne Ben Smiths in der «New York Times» erschienen, die die internen Ermittlungen gegen Reichelt, das Verhalten des Axel-Springer-Verlags und seines Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner kritisch aufgriff.

Reichelt war im Frühjahr Machtmissbrauch, die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen, wiederholtes Fehlverhalten gegenüber Frauen, Nötigung und Mobbing vorgeworfen worden. Er wurde für knapp zwei Wochen freigestellt, nach Abschluss einer von Springer beauftragten externen Ermittlung wurde die Freistellung wieder aufgehoben.

«Viel überraschender» noch als die jetzige Freistellung sei für Ben Smith gewesen, «wie schnell die ursprüngliche Untersuchung beendet worden war». Ein amerikanischer Manager wäre schon «wegen jeder kleinen Untermenge dieser Vorwürfe, schon wegen fünf Prozent der bekannten Vorwürfe» entlassen worden. «Bereits in Zeiten vor der #MeToo-Bewegung wäre so ein Fall sehr ungewöhnlich gewesen. Seit #MeToo gibt es ein noch viel grösseres Bewusstsein für Beziehungen am Arbeitsplatz, die ein Machtgefälle haben.»

Auf die Frage, wie sich der Blick auf das Haus Springer in den USA dadurch verändern könnte, meint Smith: «Die Leute kennen Springer nicht allzu gut. Wenn man überhaupt etwas weiss, dann, dass sie digital voranschreiten, dass sie aggressiv investieren.»

Im Interview mit der «Zeit» meint Smith: «Die Marke Springer wird in Deutschland ganz anders wahrgenommen, vielleicht ein wenig wie Fox News in den USA. Nun nähert sich die globale Marke von Springer der in Deutschland vielleicht etwas an.»