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Dienstag
05.07.2016

Medien / Publizistik

Fast zwei Jahre hat die Berner Staatsanwaltschaft gegen N.W. ermittelt, die ehemalige Chat-Partnerin des Badener Stadtammanns Geri Müller. Jetzt hat sie ein Urteil gefällt und die Frau in allen Punkten schuldig gesprochen, wie die «SonntagsZeitung» unter anderen berichtet.

Müller und N.W hatten während Wochen erotische Handy-Bilder ausgetauscht. Als der Politiker die Bekanntschaft beenden wollte, eskalierte die Situation. Die Frau trug die Geschichte in die Medien. Am 17. August 2014 machte sie die «Schweiz am Sonntag» publik.

Geri Müller erstattete gegen N.W. im September 2014 Strafanzeige. Darin beschwerte er sich, die Frau habe ihn genötigt, beschimpft und Tonbandaufnahmen von Gesprächen ohne seine Einwilligung gemacht.

Wie der Strafbefehl vom 29. Juni 2016 zeigt, wehrte sich der Stadtpräsident mit Recht. Die Berner Staatsanwaltschaft hält die Frau der versuchten Nötigung für schuldig, weil sie Müller jeweils in kurzen Abständen SMS geschickt und ihm gedroht habe. So schrieb sie neun Mal, sie bringe sich um. Wiederholt kündete sie an, sie werden ihn anzeigen, wegen Amtsmissbrauch und mehr. Erwiesen ist für die Staatsanwaltschaft auch, dass sich N.W. gegenüber Drittpersonen wiederholt diffamierend und unwahr über Müller geäussert hatte.

So bezeichnete sie unter anderem den Stadtammann gegenüber dem Badener Juristen Josef Bollag als Nazi, Terrorist, Diktator und Kriegsverbrecher. Sie befreie Baden von einem Irren. Er sei ein Monster.

Auch gegenüber dem stellvertretenden Chefredaktor der «Weltwoche», Philipp Gut, dem damaligen «Blick»-Chef René Lüchinger oder dem PR-Berater Sacha Wigdorovits äusserte sie Unwahrheiten. So behauptete sie, Müller habe mehrere Straftaten begangen, darunter gar Offizialdelikte. Wigdorovits half N.W. die Geschichte in die Medien zu bringen.

N.W. hat laut Staatsanwaltschaft Geri Müller auch in seiner Ehre angegriffen, indem sie ihn beispielsweise als korrupten, perversen Nazi und Menschenhändler beschimpfte. Und als Hitler von Baden.

Als besonders belastend für die Chat-Partnerin beurteilte die Staatsanwaltschaft die Tatsache, dass sie Gespräche mit Geri Müller aufzeichnete - ohne Müllers Einwilligung. Die Aufnahme übergab die Frau später Wigdorovits, Lüchinger, Gut und Bollag.

Die Staatsanwaltschaft verurteilt die Frau zu einer bedingten Geldstrafe von 9000 Franken. Zudem muss sie eine Busse von 1800 Franken bezahlen oder 30 Tage ins Gefängnis gehen. Die eigentliche «Tatwaffe», ihr iPhone und die SIM-Karte werden vernichtet. Die Frau muss Geri Müller zudem eine Entschädigung von 16 292 Franken bezahlen und die Gerichtskosten von über 9000 Franken tragen. Gegen dieses Urteil kann sie Einspruch erheben.

Noch nicht entschieden ist die Strafanzeige gegen die Herren Bollag, Wigdorovits und Patrik Müller, Chefredaktor der «Schweiz am Sonntag». Ihnen wirft Geri Müller vor, widerrechtlich Informationen aus den Tonaufzeichnungen verbreitet zu haben. Mit dem Schuldspruch gegen N.W. hat die Staatsanwaltschaft nun festgehalten, dass die Aufzeichnungen illegal waren.

Nächste Woche soll es zudem zu einem Entscheid des Presserates kommen. Das Organ zur Beurteilung, ob sich Medien ethisch verhalten, wollte zuerst den Fall nicht beurteilen. Auf Druck einer 18-köpfigen Gruppe von National- und Ständeräten änderte das Gremium im Februar den Entscheid und kündigten eine Beurteilung der Berichterstattung in der Zeitung «Schweiz am Sonntag» an.

Die Parlamentarier hatten kritisiert, die Privat- und Intimsphäre von Müller sei durch die Berichterstattung «in krasser Weise verletzt» worden.