Der zum «Schweizer Journalist des Jahres 2011» ernannte «Weltwoche»-Bundeshauskorrepondent Urs Paul Engeler stellte sich am Dienstagmittag am «Journitalk» im Berner Käfigturm den Fragen der Kolleginnen und Kollegen der schreibenden Zunft.
Die Berufskollegen wollten von Engeler unter anderem wissen, wie er zu seinen Geschichten komme, welche Reaktionen die Enthüllungen in der «Weltwoche» ausgelöst hätten und wie er seine Zukunft sehe. Für den Klein Report berichtet Josef Ritler vor Ort.
Die Reaktionen auf die Enthüllungen über Philipp Hildebrands Devisentransaktionen hätten ihn sehr überrascht, erklärte Engeler. Wohl habe er seine Familie gewarnt, dass jetzt einiges auf ihn zukommen würde. «An so eine heftige Reaktion habe ich jedoch nicht geglaubt», verriet er.
Er habe über 400 Mails erhalten und mit über 90 Kontaktpersonen reden müssen. Von morgens bis abends sei er während mehreren Tagen mit den Reaktionen beschäftigt gewesen. Er habe nicht einmal Zeit gefunden, richtig zu essen. «Man hat mir unter anderem mit dem Ableben gedroht. Der grössere Teil hat mich jedoch ermuntert, weiterzuschreiben und mich nicht pensionieren zu lassen», so Engeler. Und über den Klein Report möchte sich Engeler bei all jenen entschuldigen, denen er nicht antworten konnte: «Es waren so viele. Ich fand einfach die Zeit nicht, allen zu schreiben», sagte er.
Auf die Frage von Diskussionsleiter Nick Lüthi, warum er den Hildebrand-Artikel veröffentlicht habe, obwohl er sich nur auf eine Quelle stützen konnte und man im Journalismus bekanntlich immer zwei Quellen ansteuern solle, erklärte Engeler: «Zwei Quellen sind Theorie. Man muss es realistisch sehen. Man hat nicht mehr erfahren können. Es war nicht die optimale Quellenlage, es war die einzige. Und weil ich doch einige Erfahrung habe, war ich sicher», erklärte Urs Paul Engeler. Ob er denn je Selbstkritik geübt habe? «Selbstkritik ist nicht meine Kernkompetenz!», erwiderte Engeler schmunzelnd.
«Und wie war das mit dem kritischen Artikel über die SVP?», wollte man von ihm wissen. Er habe die Plakate mit den Stiefeln gesehen und sei überzeugt gewesen, so könne man die Wahl nicht gewinnen. Der Chefredaktor Roger Köppel habe leer geschluckt, Christoph Blocher habe ihn angerufen und sei erbost gewesen. Etwas kritisch sieht Urs Paul Engeler zudem die Rolle seines Redaktionskollegen Peter Keller, der in den Nationalrat gewählt worden ist. «Ich war dagegen. Das ist nicht gut und ich habe das kritisiert. Stellen Sie sich vor, wenn Keller beispielsweise in einer Kommission arbeitet und ich einen kritischen Artikel über die Arbeit schreiben möchte, dann haben wir ein Problem», erläuterte Engeler. Früher sei das anders gewesen. Da habe es beispielsweise CVP-Redaktoren gegeben, die fürs «Vaterland» geschrieben hätten. Man habe das bei der Parteipresse toleriert. Damals sei das transparent genug gewesen.
Dann liess er sich doch noch einige persönliche Details entlocken. Er sei YB-Fan und Penaltyspezialist. Arbeite immer im Hintergrund. Man würde ihn nie mit jemandem essen gehen sehen und er meide Empfänge. Mitte Jahr feiere er 20 Jahre «Weltwoche» und wolle nach 32 Jahren Journalismus das Pensum reduzieren. Der Nachfolger, der bisherige Inlandchef der neuen «Luzerner Zeitung» Karl Kälin, werde zurzeit auf der Redaktion eingeführt.
Jetzt gehe er mit gemischten Gefühlen am Mittwochabend in Zürich an jene Preisverleihung, an der er offiziell zum «Schweizer Journalist des Jahres 2011» gekrönt wird: «Ich halte nichts von solchen Preisen und habe auch schon welche abgelehnt. Der Fall Zuppiger hat mich jetzt in die Rolle gedrängt und ich werde hingehen», erklärte Urs Paul Engeler.