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Dienstag
12.03.2019

Medien / Publizistik

Kübler: «Man sollte URG vereinfachen»

Kübler: «Man sollte URG vereinfachen»

In der Urheberrechtsdebatte wirds spannend: Am Dienstag kommt das Geschäft in den Ständerat. In einem Gastbeitrag für den Klein Report macht sich Philip Kübler, Direktor der Verwertungsgesellschaft ProLitteris und Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission (Emek), Gedanken zur aktuellen Bauetappe im verwinkelten Gebäude des Urheberrechts.

«Urheberrecht betriff alle Unternehmen, alle Behörden und alle Menschen. Nachdem der Bundesrat mit den Betroffenen und den Branchen 2012 bis 2017 ein geschlossenes Paket geschnürt hatte, zog die Revision des Urheberrechtsgesetzes (URG) 2018 zügig durch den Nationalrat. 

Die unautorisierten Internetnutzungen waren rasch in den Hintergrund gerückt. Kämpfe sind ausgefochten und geklärt worden: Sender gegen Verbreiter (zeitversetztes Fernsehen mit Überspulen von Werbung), Fotografen gegen Kulturvermittler (Schutz auch von Fotografien, die keine individuell gestalteten Werke sind), Open-Access-Förderer gegen Verlage und Autoren (Zweitveröffentlichungsrecht für wissenschaftliche Werke).

Die anvisierte Modernisierung des Urheberrechts hatte zu Anbauten statt Auffrischungen geführt. Urheberrecht ist schon heute kompliziert - man sollte es dringend vereinfachen. 

Aber die politische Strategie ist ein Ausbalancieren der Interessen. Jede Gruppe erhält etwas und verliert nicht viel. Alles spricht vom tragfähigen Kompromiss. Modell- und Prinzipiendebatten will man vermeiden. Zugegeben, sie wären aussichtslos.

Jetzt biegt die URG-Revision in die Zielgerade ein. Der Ständerat ist eingetreten und wird das Dossier am 12. März beraten.

Die vorberatende Kommission des Ständerates ist innovativ geworden, Kompromiss hin oder her. Sie hat neue Privilegien formuliert: für Bibliotheken, für Journalismus, für Hotels, Ferienwohnungen, Spitäler und Gefängnisse sowie für Medienverlage.

Also noch mehr Anbauten im verwinkelten Gebäude des Urheberrechts. Und in zwei Fällen mit einem besonders bitteren Beigeschmack: Die Hotellerie und die Bibliotheken stehen davor, je ein Verfahren zu verlieren. Der Reflex: Man benutzt die zufällig gerade laufende Gesetzesrevision, um einen Sieg zu erringen, der auf fairem und regulärem Weg nicht gelingen will.

Dafür gibt es keinen Grund, keinen rechtlichen, keinen wirtschaftlichen, keinen politischen. Die gemeinsamen Tarife der Verwertungsgesellschaften sind in der Schweiz vorbildlich einfach organisiert: Die Nutzer geschützter Werke und Leistungen stehen einem One-Stop-Shop gegenüber, mit dem sie gesetzliche Vergütungen verhandeln und regeln. Diese moderaten Beträge fliessen dann mit meistens geringem Verwaltungsaufwand an Autorinnen, Kulturschaffende und Produzenten.

Zum Beispiel das Vermieten von Büchern, CD und DVD: Das Gesetz sagt, dass eine moderate Vergütung an Autoren und Verlage fliessen soll. Es geht kumuliert um wenige 100‘000 Franken pro Jahr, ein Nichts im Vergleich mit den Budgets der Schweizer Bibliotheken von mehr als einer halben Milliarde. 

Jetzt wurde ein Bibliotheksprivileg so formuliert, dass dieser ganze Anspruch zum toten Buchstaben wird. Weil es nämlich neben den aussterbenden Videotheken im Vermiet- und Verleihgeschäft nur noch die Bibliotheken gibt. 

Eine Vergütung für Autoren und Verlage ist massvoll, nötig und richtig. Warum soll ein Schriftsteller, dessen Buch gegen Bezahlung «verliehen» - und vielleicht ein paarmal weniger gekauft - wurde, auf eine Entschädigung verzichten? 

Konkret geht es im Jahr 2019 um 75 Rappen Autorenanteilen an einer Mitgliedergebühr von 50 Franken. Alle anderen Nutzer, die mit geschützten Werken und Leistungen ein grosses oder kleines Geschäft machen, tragen ihren Anteil zum Kulturschaffen bei. Nimmt man einen sympathischen Nutzer davon aus - Bibliotheken sind sympathisch und wichtig, kein Zweifel -, dann durchlöchert man das Urheberrecht. Es leidet die Gerechtigkeit, und die Einfachheit dazu.

Solche Unglücksfälle auf der Zielgeraden einer Gesetzesrevision schaffen auch Probleme in der Umsetzung. Laut der neuen Ausnahmeziffer, Art. 13 Abs. 2 lit. des URG, soll es darauf ankommen, ob Benutzerentgelte «der Deckung der Betriebskosten einer Bibliothek dienen». 

Was heisst das und wie muss das erhoben werden? Wie sieht man einem Franken an, wohin er aus dem Bibliothekskasse fliessen wird? Werden die Bibliotheken Buchhaltungen offenlegen und Zahlungsströme nachweisen müssen? Oder ist gemeint, dass sich die Bibliotheken damit en bloc aus dem Urheberrecht abmelden, weil sie im öffentlichen Interesse arbeiten und daher auch von den Rechteinhabern subventioniert werden sollen? In diesem Fall wäre es richtiger, den ganzen Gesetzesartikel zu streichen und den geltenden Tarif aufzuheben.

Dem Ständerat ist zu wünschen, dass er die eilends formulierten Ausnahmen für Bibliotheken, Hotels und andere Nutzergruppen wieder aus dem Gesetz entfernt. Auch die andere Seite der Nutzer, die Rechteinhaber, hat Selbstkritik zu üben: Wenn sie ihre Interessen selber zersplittern, dann machen sie das Urheberrecht immer noch komplizierter und laden zu unübersichtlichen Sonderprivilegien ein.

Das Urheberrecht sollte einfacher werden und für alle gleich gelten.»

Philip Kübler ist Direktor der Verwertungsgesellschaft ProLitteris, die Lizenzen für Texte und Bilder betreut. Die Genossenschaft muss in gesetzlichem Auftrag Vergütungsansprüche umsetzen, so wie jene der Bibliotheken für das Vermieten von Büchern, Musik und Filmen.