Wenn Zeitungsinhalte von einer Zeitung an die andere verkauft werden: Der «Tages-Anzeiger» zahlt Geld, damit er vom grossen Korrespondentennetz der «Süddeutschen Zeitung» (SZ) profitieren kann und Inhalte von Autoren der SZ übernehmen darf.
Im Gegenzug kann die SZ dank dem Beitrag des «Tages-Anzeigers» die Grösse des Netzwerkes aufrechterhalten, wie Wolfgang Krach (Bild), Chefredakteur der SZ, dem Klein Report erklärt.
Zunächst erklärt Krach die bestehende Partnerschaft zwischen der «Süddeutschen Zeitung» und dem «Tages-Anzeiger»: 2009 habe Tamedia wegen einzelnen Korrespondenzen bei der SZ angefragt, zunächst «vier oder fünf», wie er sagt: «Wir haben gute Erfahrungen mit unseren Schweizer Kollegen gemacht. Deshalb wird jetzt ausgebaut», sagt Krach, der seit 1. April 2015 gemeinsam mit Kurt Kister die Doppelspitze der «Süddeutschen» bildet.
Der Nutzen aus Sicht des «Tages-Anzeigers» an dieser Partnerschaft ist offensichtlich: Er kann von einem weltweiten Netzwerk profitieren, das weitestgehend von Journalisten des deutschen Partners, also der SZ, gestellt wird. Krach erklärt dem Klein Report in aller Deutlichkeit: «Die SZ hat wesentlich mehr internationale Berichterstattung als der `Tages-Anzeiger` - schon alleine deshalb, weil Umfang und Format der Zeitung deutlich grösser sind.»
Aus Sicht der «Süddeutschen» sind hingegen weniger die Korrespondenten des Tagi, sondern vielmehr der finanzielle Aspekt der Vereinbarung interessant. «Der `Tages-Anzeiger` beteiligt sich am Netzwerk, auch finanziell», beschreibt Wolfgang Krach den grössten Nutzen aus Sicht der SZ.
Personell besteht das Korrespondentennetz aus insgesamt 20 Journalistinnen und Journalisten. Davon stelle der «Tages-Anzeiger» drei Kolleginnen und Kollegen. «Einer ist in Washington, einer in Rom und einer in Tokio», kann Krach spontan aufzählen.
Den grossen Rest stellt die «Süddeutsche Zeitung»: «Die SZ hat ein sehr grosses Korrespondentennetz, der `Tages-Anzeiger` ein deutlich kleineres. Nun erhält der `Tages-Anzeiger` Zugriff aus das gesamte SZ-Netz, das den Grundstock des künftigen gemeinsamen Netzes bildet. Zu diesem gehören dann auch die jetzigen Korrespondentenkollegen des `Tages-Anzeigers`.» Das offensichtliche, personelle Ungleichgewicht im Netzwerk werde «finanziell kompensiert».
Das erlaube es der SZ finanziell, ihr Korrespondentennetz in gewohnter Grösse aufrechtzuerhalten, weshalb auf Seite der «Süddeutschen» auch keine Stellen gestrichen werden müssen: «Der finanzielle Beitrag des `Tages-Anzeigers` soll auch dazu dienen, das jetzige Korrespondentennetz in seiner Grösse und Substanz mittel- und langfristig zu sichern», sagt der SZ-Chefredakteur.
Das Korrespondentennetz wird von einem Ausschuss gesteuert, an dem SZ und Tagi personell gleichermassen beteiligt sind: «Dieser `Ausschuss` wird vermutlich aus den Ressortleitern der Aussenpolitik bestehen. In der täglichen Praxis werden das wohl ein Kollege in München und einer in Zürich sein. Bei der Mittelfrist-Planung werden sicher noch die Stellvertreter hinzugezogen. Also insgesamt zwei bis vier Menschen», präzisiert Krach und kann sich dabei ein Schmunzeln über das zu technische Wort «Ausschuss» nicht verkneifen.
Neben dem Korrespondentennetz gehört auch ein vermehrter Austausch von Texten, Bildern und Infografiken auf den digitalen Plattformen zur Zusammenarbeit zwischen der «Süddeutschen» und dem «Tages-Anzeiger». Einen Identitätsverlust befürchtet die SZ dadurch nicht, da auch hier der «Austausch» der Inhalte eher einseitig ist: «Der grösste Teil dieser Inhalte wird auch künftig von Autoren der SZ stammen», präzisiert Krach. «Was wir vom `Tages-Anzeiger` bekommen, wird aber in jedem Falle eine Bereicherung sein, weil dazu auch Themen zählen, die wir bisher nicht ideal oder gar nicht abdeckten. Zum grössten Teil sind es aber eigene Inhalte», so der Chefredakteur erneut deutlich.
Zum Abschluss sagt Wolfgang Krach, dass sich an der Vermarktung der «Süddeutschen Zeitung» durch die Partnerschaft zum «Tages-Anzeiger» und zu Tamedia nichts ändere: Während bei Tamedia eine Zusammenlegung stattgefunden hat und somit neben den redaktionellen Inhalten auch digitale Produkte aller Art gemeinsam vermarktet werden, steht bei der SZ nach wie vor die Zeitung im Vordergrund: «Die SZ wird als eigene Zeitung auch eigenständig und überregional vermarktet, wie bisher.»