Der Zürcher Medienkonzern wird ab dem 1. Juli weniger Artikel seiner Publikationen korrigieren lassen. Hinter diesem Schritt steht die Anfang Jahr intern eingeführte Mobile-First-Strategie. Zwei Angestellten wurde gekündigt.
Die Aufregung um den Tweet von «Republik»-Journalist Dennis Bühler war gross: Weit über die Medienbranche hinaus hat sich die Nachricht verbreitet, dass bei Tamedia künftig «Print-Only-Artikel grundsätzlich nicht mehr korrigiert» werden. Im Tweet war ein Screenshot angehängt, der diese und weitere Neuerungen im Korrektorat ankündigte.
«Der Screenshot im Tweet stammt von einer internen Mitteilung an die Redaktion, die mir zugesteckt wurde», sagte Bühler auf Anfrage des Klein Reports. Darin steht auch, dass Angebote wie die 12-App, Blogs, Umfragen, Kurz- und Agenturmeldungen oder Veranstaltungshinweise «nicht mehr korrigiert werden».
Ausserdem werde das Korrektorat auch die Namen nicht mehr überprüfen. «Die Verantwortung, dass die Namen in den Texten richtig geschrieben werden, liegt beim Autor», heisst es in der Tamedia-Anweisung. Von den Neuerungen ausgenommen seien die Frontseiten aller Tamedia-Titel.
Eine solche Ankündigung lässt vermuten, dass Tamedia-Zeitungen in Zukunft deutlich mehr Fehler aufweisen werden. Das schreckte auch Teile der Twitter-Community auf, die sich mit scharfen Kommentaren über die vermeintliche Korrektoratsabschaffung beschwerten.
Sogar die Grünen-Politiker Regula Rytz schaltete sich ein. «Das Parlament hat ein Medienunterstützungspaket beschlossen, um genau dies zu verhindern! Wir brauchen unabhängige Qualitätsmedien für die Demokratie! Wie sollen wir den Inhalten vertrauen, wenn die Fehler zunehmen? Warum Posttaxen verbilligen, wenn Print abgeschossen wird?», schrieb Rytz auf Twitter.
Tamedia selbst beschwichtigt und versucht den Ball flach zu halten: «Bis auf ein paar wenige Ausnahmen wie etwa Leserbrief- oder Glückwunschseiten wird auch im Print weiterhin kein Artikel erscheinen, der nicht das Korrektorat durchlaufen hat», liess die Kommunikationsverantwortliche Nicole Bänninger gegenüber dem Klein Report verlauten.
Denn mit der Umstellung der Redaktionen auf Mobile First würden sich die Produktionsabläufe so ändern, dass in Zukunft «alle Artikel nur noch einmal korrigiert werden, nämlich bei der digitalen Publikation», erklärte Bänninger. Und da fast ausnahmslos alle Artikel zuerst digital publiziert werden, werden auch die Berichte im Print korrigiert.
Allerdings: Print-Only-Artikel werden beim Inkrafttreten der neuen Regeln tatsächlich nicht mehr korrigiert. Davon sind beispielsweise Leserbriefe oder der Veranstaltungskalender betroffen, wie Bänninger präzisierte. «Diese machen aber nur einen ganz kleinen Teil aus, die grosse Mehrheit der Inhalte, die in der Zeitung erscheinen, werden nach wie vor korrigiert.»
Auch ein Mitglied der Redaktion in Zürich, das anonym bleiben möchte, sagte auf Nachfrage des Klein Reports: «In allen Tamedia-Zeitungen gibt es fast keine Print-Only-Artikel mehr.» Trotz den Änderungen würden also nach wie vor etwa 98 Prozent der Artikel korrigiert, bezifferte das Redaktionsmitglied. «Probleme werden sich wohl nur bei nachträglichen Kürzungen von Artikeln, die bereits korrigiert sind, ergeben.»
Doch obwohl die Neuerungen nicht so weitreichend sind, wie der auf Twitter gestellte Screenshot vermuten liess, regte sich innerhalb der Tamedia-Gemäuer Widerstand: Mario Stäuble, der bald Co-Chefredaktor des 'Tages-Anzeigers' wird, habe an einem internen Anlass Pietro Supino vor einem weiteren Leistungsabbau gewarnt, so die anonyme Quelle des Klein Reports weiter.
Für das Korrektoratspersonal hat das Umstellen auf die Mobile-First-Strategie Konsequenzen: Tamedia hat gemäss Bänninger «leider zwei Kündigungen aussprechen müssen». Die betroffenen Mitarbeitenden hätten einen freiwilligen Sozialplan erhalten und ihnen wurde zudem Unterstützung bei der Neuorientierung angeboten.