Das Erdogan-Regime hat in der Nacht auf Montag den Chefredaktor der regierungskritischen Zeitung «Cumhuriyet», Murat Sabuncu, verhaften lassen. Gegen vierzehn weitere Mitarbeiter sind laut Angaben der Zeitung Haftbefehle erlassen worden, darunter vier Journalisten sowie der Vorstandspräsident Akin Atalay.
Den Zeitungsmitarbeitern werden Verbindungen zur Bewegung des Predigers Fethullah Gülen vorgeworfen, der für den Putschversuch vom Juli verantwortlich gemacht wird. Ebenso sollen sie Kontakte zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK unterhalten. Laut «Cumhuriyet» ist es den Mitarbeitenden, gegen welche die Haftbefehle erlassen worden sind, verboten, sich in den nächsten fünf Tagen mit ihren Anwälten auszutauschen.
Der türkische Journalist Yavuz Baydar, der regelmässig für die «Süddeutsche Zeitung» Gastbeiträge schreibt, geht laut SZ davon aus, dass «Cumhuriyet» jetzt von einem regierungstreuen Treuhänder übernommen und auf Linie gebracht wird.
Nach brisanten Enthüllungen von Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes nach Syrien waren im vergangenen November bereits der damalige «Cumhuriyet»-Chefredaktor Can Dündar zusammen mit dem Chef der Ankara-Redaktion Erdem Gül verhaftet worden. Im vergangenen Mai wurde Dündar wegen Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen zu fast sechs Jahren Haft verurteilt, Gül bekam fünf Jahre. Zusätzlich wurde im September ein Prozess gegen beide Journalisten wegen angeblicher Unterstützung einer terroristischen Organisation eröffnet.
Nach einem Attentat, das Dündar mit Glück überlebte, ist er nach Deutschland geflohen. Seine Ehefrau wird in der Türkei festgehalten. Auf der Frankfurter Buchmesse hatte er kürzlich die EU dafür kritisiert, nicht genug gengen Erdogans Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat zu unternehmen.
Reporter ohne Grenzen (ROG) hatte «Cumhuriyet» im November 2015 als «Vorkämpferin für die Pressefreiheit» zum Medium des Jahres gekürt. Kurz darauf eröffnete Erdogan mit der Verhaftung Dündars das Dauerfeuer auf das regierungskritische Blatt. Reporter ohne Grenzen sammelt per Online-Petition Unterschriften für den Freispruch von Dündar und Gül.