Mit dem grossen Umbauprojekt «SRF 2024» hat das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) für Verunsicherungen in den eigenen Reihen gesorgt und Kritik von aussen kassiert. Auch an der Kommunikationsstrategie des Senders wurde kein gutes Haar gelassen.
Im Interview mit dem Klein Report reagieren Tristan Brenn, Chefredaktor TV, und Andrea Hemmi, Kommunikationschefin, auf die kritischen Stimmen und verteidigen das Projekt «SRF 2024» – inklusive Kürzungen im linearen Bereich. Und dazu, dass der SRF-Grossumbau nach Bekanntgabe in der «Tagesschau»-Hauptausgabe mit keinem einzigen Wort erwähnt wurde, meinte der Fernseh-Chefredaktor, dass an diesem Tag andere Themen im Vordergrund gestanden hätten.
Nach Bekanntwerden des Umbaus hat die Redaktion des Klein Reports von einigen SRF-Mitarbeitenden aufgeregte Telefonate und Mails erhalten. Die Verunsicherung bei SRF scheint demnach sehr gross. Wie gedenken Sie weiter darauf zu reagieren?
(Der Klein Report hat sich mit dieser Frage an Tristan Brenn gewandt, aber eine Antwort von Andrea Hemmi erhalten).
Andrea Hemmi: «Grosse Veränderungen bringen auch immer gewisse Unsicherheiten mit sich, das kann ich gut nachvollziehen. Weil wir uns dessen sehr bewusst waren, gibt es für die Mitarbeitenden im Nachgang zur Informationsveranstaltung für alle ganz verschiedene Möglichkeiten und Angebote – zum Beispiel virtuelle Infomärkte, bei denen sie ihr Feedback einbringen und ihre Fragen stellen können. Auch innerhalb ihrer Abteilungen. Dieser Dialog ist uns sehr wichtig.»
Viele Journalistinnen und Journalisten haben den Eindruck, dass alle Mitarbeitenden über 45 beim SRF keine grossen Perspektiven mehr haben, speziell wegen dem Thema Digital. Was entgegnen Sie denen?
Tristan Brenn: «Diese Befürchtung ist unbegründet. Ja, wir müssen vermehrt auch ein jüngeres Publikum unter 45 Jahren ansprechen und dabei auf ihre digitalen Nutzungsgewohnheiten reagieren. Das verlangt auch die Konzession von uns. Das heisst aber nicht, dass wir ein älteres Publikum vernachlässigen. Und es heisst schon gar nicht, dass man nicht auch mit über 45 Jahren digitale Angebote produzieren kann.»
Einige SRF-Journalisten kritisierten die Umverteilung von linear auf digital. Es sei aus ihrer Sicht nicht möglich, jetzt einfach als TV-Journalist Instagram-Posts oder für Youtube zurechtgemachte Filme zu produzieren. Was entgegnen sie darauf und werden in den nächsten Wochen Journalisten entlassen?
Brenn: «Wir haben bereits Spezialisten im Haus, die sich spezifisch auf Instagram und anderen sozialen Netzwerken auskennen. Zudem: Unsere Journalistinnen in den Fachredaktionen arbeiten schon länger bimedial, sind also nicht nur für die TV-Berichterstattung zuständig. Aber wir müssen da teilweise auch noch Know-how aufbauen. Deshalb war es uns wichtig, im Rahmen des Projekts ein Weiterbildungsbudget sicherzustellen: Die Ausbildung von SRF wird, wo immer möglich, Umschulungen anbieten.»
Recht grosse öffentliche Kritik und Unverständnis gab es auch wegen der angekündigten Einstellung der Wirtschaftssendung «Eco» im Sommer 2021 und die als Ersatz angekündigte wöchentliche Talk-Sendung, die in diesem Zusammenhang als Light-Version angeschaut wird. Was sagen Sie dazu?
Tristan Brenn: «Wenn wir uns den digitalen Entwicklungen nicht anpassen, dann verlieren wir den Draht zum jüngeren Teil unserer Gesellschaft. Um dies zu verhindern, stellt sich SRF neu auf und stärkt generell die Information über digitale Kanäle – das gilt auch für die Wirtschaftsberichterstattung. Und im TV verschwindet die Wirtschaftsberichterstattung ohnehin nicht. Anstelle von ‚Eco‘ wird es einen hochwertigen Wirtschafts-Talk mit Reto Lipp geben und auch ‚SRF Börse‘, ‚Tagesschau‘ oder ‚10vor10‘ berichten weiterhin über Wirtschaftsthemen.»
In den letzten Monaten haben sich beim Klein Report immer wieder SRF-Stimmen gemeldet, die grundsätzlich mit der internen Kommunikation etwas unzufrieden sind. Manche ärgern sich, dass sie Informationen über SRF-Twitter-Kanäle oder über Schleichwege oder über externe Medien-Publikationen erhalten. Wie ist Ihre Eigenwahrnehmung über Ihr persönliches Kommunikationsverhalten?
(Diese Frage richtete sich ebenfalls direkt an Tristan Brenn). Andrea Hemmi antwortete in der Ich-Form: «Ich erlaube mir eine etwas ausführlichere Antwort, um am Beispiel vom Donnerstag unsere Ausgangslage konkret aufzuzeigen. Ein zentraler Pfeiler meiner Kommunikationsstrategie ist selbstverständlich: intern vor extern. So auch gestern: Wir haben Kadermitarbeitende sowie direktbetroffene Mitarbeitende - dort, wo es um bereits kurzfristig anstehende Änderungen geht - vorab informiert. Dann gab es für alle Mitarbeitenden ein internes Livestreaming, damit sie sich aus erster Hand informieren konnten. Und bereits während der Veranstaltung gab es eine Zusammenfassung in unserem Intranet. Direkt danach informierten wir extern. Wir haben mit der externen Kommunikation nicht zuletzt darum sehr rasch reagieren müssen, weil bereits Infos zum ‚Blick‘ gelangt waren. Ich bedaure es immer sehr, wenn Mitarbeitende aufgrund solcher Berichte Neuigkeiten aus externen Medien erfahren müssen. Aber natürlich: Unser Unternehmen ist gross und die Medienbranche ist eng vernetzt. Verhindern liesse sich so etwas nur, wenn man als Konsequenz vom Grundsatz ‚intern vor extern‘ abkäme. Das fände ich allerdings sehr schade.»
Muss hier möglicherweise bei so einem Umbau mehr getan werden?
Hemmi: «Selbstverständlich gibt es auch ein Change-Team, das diese Veränderungen begleitet, dieses wurde den Mitarbeitenden an der Personalinformation ebenfalls vorgestellt.»
Die Bekanntgabe des Umbau-Projektes «SRF 2024» wurde in der Hauptausgabe der Tagesschau am Donnerstagabend mit keinem Wort erwähnt – und das beim grössten Medienunternehmen der Schweiz. Was können Sie dazu sagen?
Brenn: «SRF hat am Donnerstag intern und extern sehr breit informiert. Direktorin Nathalie Wappler hat die Medien aktiv zu einer virtuellen Fragerunde eingeladen, an der auch ich als TV-Chefredaktor für Fragen zur Verfügung gestanden habe. SRF hat auch über die eigenen digitalen Kanäle über das Projekt 2024 öffentlich informiert. In der ‚Tagesschau‘ hatten wir am Donnerstag andere Themen, die im Vordergrund standen.»