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Montag
28.05.2012

Am Pfingstmontag strahlt das Schweizer Fernsehen den zweiten Luzerner «Tatort» aus; drei Folgen in der Leuchtenstadt sind bereits abgedreht, die vierte folgt noch in diesem Jahr. Wenn der qualitative Quantensprung weiterhin so deutlich sein wird wie zwischen Folge 1 und 2, könnten die Luzerner «Tatort» noch zum Knüller werden. Der Klein Report hat Folge 2 gesehen und liefert hier das Wichtigste zu «Skalpell».

Die Ausgangslage ist zugegebenermassen schwer: Mit dem letzten am 6. Mai ausgestrahlten «Tatort», «Die Ballade von Cenk und Valerie», wurde die Latte bezüglich Action und Drama so hoch gelegt, dass auch kaum ein anderer deutscher oder österreichischer «Tatort» mithalten könnte. Es war der Abschied des verdeckten Ermittlers Cenk Batu alias Mehmet Kurtulus, bevor im Herbst Til Schweiger dessen Job in Hamburg übernehmen wird.

Der Plot ist vielschichtig, und deshalb stimmt es insgesamt: Ein Luzerner Chefarzt wird mit einem Skalpell im Hals tot im Wald aufgefunden, bald darauf begeht die Schwester von Kommissar Flückigers Assistentin Selbstmord. Spätestens jetzt weiss man: Das Rätsel kann nicht nur in der Liebesaffäre der Chefarztgattin mit dem Chefarztstellvertreter liegen.

Das Thema Intersexualität ist ein Tabuthema, und wo der Krimi plötzlich ins Drama kippt und die tragischen Schicksale von Zwitterbuben und -mädchen und deren Familien beleuchtet werden, geht er wirklich unter die Haut: Der ermordete Chefarzt hatte angeblich Hunderte solcher unglücklicher Geschöpfe, und nur zu oft falsch, operiert.

Die Schauspieler sind nicht länger Hauptthema, weil sich die einhellig von allen Kritikern in der Luft zerrissene Flückiger-Assistentin aus der ersten Schweizer «Tatort»-Folge, CSI-Miami-Darstellerin Sofia Milos, so schnell aus Luzern verabschiedet hat, wie sie dorthin gekommen war. Jetzt assistiert die Zürcher Sängerin und Schauspielerin Delia Mayer Kommissar Flückiger. Sie kommt gerade von einem Austauschprogramm in Chicago zurück und bringt amerikanisches Tempo und Kaltschnäuzigkeit an die Seite des oft allzu braven und sensiblen Kommissars.

Die Sprache ist ein Mischmasch von Luzerner, Zürcher und Bündner Dialekt sowie perfektem Hochdeutsch. Nach diesem «Tatort» weiss die Schweiz wenigstens eines: dass es politically absolutely correct ist, einem strikt nur Hochdeutsch sprechenden Deutschen penetrant und ausschliesslich in Mundart zu antworten. (Man erinnert sich: Es war einst das «Echo der Zeit» gewesen, das plötzlich von «Asylanten» sprach; seither müssen auch die Lieben und Netten nicht länger Asylsuchende sagen!)

Die Hauptrolle spielt neben Kommissar Reto Flückiger alias Stefan Gubser noch immer Luzern und das Schweizerische. Kein Zwischenschnitt, der nicht ein perfektes Postkartensujet wäre, oft allerdings sehr gedämpft in den Farben. Luzern-Tourismus-Direktor Marcel Perren, der unlängst im Gespräch mit dem Klein Report den Euro-bedingten Rückgang an deutschen Touristen beklagte, darf sich freuen!

Die Armbrust ist ein witziger Einfall, aber doch etwas zu viel des Guten. Aber wahrscheinlich glaubt ja jeder Zuschauer jenseits des Bodensees, dass Wilhelm Tell in der Schweiz allgegenwärtig und jeder Schweizer ein Armbrustschütze sei.