Ein bereits vor Monaten gefällter Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) diente dem «Tages-Anzeiger» am Mittwoch erneut für eine dicke Maudet-Schlagzeile: «SRF zieht gegen Maudet vor das Bundesgericht».
Das Timing des Online-Artikels mit der aufsehenerregenden Überschrift von Redaktor Philippe Reichen ist brisant. Denn nur eine Woche zuvor wurde die «Tagi»-Herausgeberin Tamedia wegen des Genfer FDP-Staatsrates per Gerichtsentscheid zur Publikation einer Gegendarstellung verdonnert.
Dessen ungeachtet goss der «Tages-Anzeiger» am 18. September nochmals Öl ins Feuer. Gleichentags bezeichnete Tristan Brenn, Chefredaktor TV SRF, den Titel auf der «Tagi»-Website via Twitter als «ein bisschen sehr zugespitzt». SRF ziehe nicht «gegen Maudet» vor Bundesgericht, sondern gegen den Entscheid der UBI, korrigierte er.
Als Reaktion auf Brenns Tweet schwächte Tamedia den Titel in der Online-Version leicht ab. Statt «SRF zieht gegen Maudet vor das Bundesgericht» hiess es neu «SRF zieht wegen Maudet vor das Bundesgericht». In der Print-Ausgabe vom Donnerstag erschien der Text dann unter dem neuen Titel.
Im Beitrag von Philippe Reichen geht es um einen am 7. Juni publizierten Entscheid der UBI, den das Schweizer Fernsehen (SRF) partout nicht akzeptieren will. Auch Monate später probiert SRF noch, den Beschluss vor dem höchsten Gericht in Lausanne auf den Kopf zu stellen. Denn für den Sender ist der UBI-Entscheid total vernichtend.
Die Informationen aus einem «Rundschau»-Beitrag, der am 3. Oktober 2018 ausgestrahlt wurde, seien insbesondere bezüglich der thematisierten Zusammenhänge zu einer Reise von Pierre Maudet nach Abu Dhabi «einseitig, tendenziös und unvollständig», steht unter anderem im Entscheid vom 7. Juni 2019.
«Zentrale journalistische Sorgfaltspflichten», die während eines laufenden Strafverfahrens gelten, seien missachtet worden. Auch «wesentliche Hintergrundinformationen» seien im Beitrag der SRF-«Rundschau» nicht erwähnt worden, heisst es weiter.
Diese fehlenden Hintergrundinformationen und die möglichen Fehlleistungen des SRF werden im aktuellen Artikel des «Tages-Anzeigers» aber nicht näher beleuchtet. Stattdessen werden die Thesen aus dem «Rundschau»-Beitrag vom 3. Oktober 2018 neu befeuert. Ausgerechnet jene Recherchen, die von der UBI deutlich abgekanzelt wurden.
Mit dem neuen Artikel «SRF zieht gegen/wegen Maudet vor das Bundesgericht» hat der «Tages-Anzeiger» im Fall Maudet nun erneut das letzte Wort. Und das trotz der Gegendarstellung, die Tamedia am 10. September abdrucken musste.
Während sich SRF in der Causa Maudet unterdessen nach aussen hin zurückhält, bringt der Tamedia-Titel immer neue Schlagzeilen zum Fall, der Gegenstand eines laufenden Strafverfahrens ist. Seit Ende April hat SRF noch zwei Artikel zur «Affäre Maudet» online gestellt. Beim «Tagi» waren es im gleichen Zeitraum deren neun.
Redaktor Philippe Reichen erklärte auf Nachfrage des Klein Reports, weshalb er die Geschichte derart hartnäckig weiterführt. «Ich bin Westschweiz-Korrespondent von Tamedia. Als solcher begleite ich Herr Maudet seit Jahren und werde dies auch weiterhin tun.» In diesem Herbst werde er auch noch eine Biografie über Pierre Maudet publizieren, so Reichen.
Die zeitliche Nähe seiner jüngsten Maudet-Abhandlung vom 18. September zur erwähnten Gegendarstellung vom 10. September sei zufällig, sagte der Journalist. «Der Artikel ist jetzt erschienen, weil ich in den letzten Tagen vom Rekurs erfuhr», erklärte er dazu.
Offen bleibt die Frage, weshalb der UBI-Entscheid vom 7. Juni vom SRF mehr als drei Monate später noch hinterfragt wird? SRF-Sprecher Stefan Wyss sagte dazu dem Klein Report am Donnerstag: «Die Frist zur Einreichung der Beschwerde endete aufgrund der Gerichtsferien Mitte September. SRF hat die Klage fristgerecht am 13. September eingereicht.»
Weitere Angaben, weshalb SRF den Fall ans Bundesgericht zieht, machte Wyss «aufgrund des laufenden Verfahrens» nicht. Trotz mehrmaligem Nachfragen des Klein Reports wollte er auch nicht bekannt geben, wer SRF in Lausanne anwaltlich vertritt. Und SRF-Sprecher Stefan Wyss fügte an: «Auf unsere Berichterstattung hat das laufende Verfahren keinen Einfluss.»