Schon wieder rügt der Presserat Tamedia wegen der unsauberen Trennung von Journalismus und Werbegeschäft. Besonders brisant am neusten Fall: Es geht um Polit-Werbung gegen die Konzernverantwortungs-Initiative.
Über Wochen haben Tamedia-Onlinemedien ab Januar neben redaktionellen Beiträgen zur Konzernverantwortungs-Initiative jeweils Werbung zu diesem Volksbegehren veröffentlicht.
Bei dem per Screenshot am 29. Januar 2020 beanstandeten Beispiel erschien rechts neben dem redaktionellen Text «Konzerninitiative: Es wird eng» eine Banner-Werbung mit folgendem Wortlaut: «Sie lesen einen Artikel zur KVI. Debatten brauchen Fakten. Besuchen Sie unser Dossier mit den Faktenchecks.» Es folgte ein Link «zum Dossier».
Hinter der Presserats-Beschwerde steckt die «Republik», die ebenfalls am 29. Januar über die Werbekampagne berichtet hat.
Der Link «zum Dossier» führte auf die nichtssagende Domain guter-punkt.ch. Die Website verspricht, die Aussagen von Politikern, Initianten und NGOs einem neutralen Faktencheck zu unterziehen. Laut «Republik» hatte die Berner PR-Agentur furrerhugi die Website im Namen des Vereins succèSuisse erstellt.
Der Verein engagiert sich nach eigenen Angaben für eine liberale Wirtschaftsordnung und unterstützt «wo nötig bestehende Verbände und Parteien». In der Trägerschaft sitzen unter anderem der FDP-Ständerat Ruedi Noser und der ehemalige FDP-Nationalrat Peter Schilliger sowie CVP-Präsident Gerhard Pfister, alles bekennende Gegner der Konzernverantwortungs-Initiative.
Bei dem kritisierten Banner handle es sich um sogenanntes «Contextual Targeting», erklärte sich Tamedia fadenscheinig gegenüber dem Presserat. Das Banner-Ziel sei, Anzeigen gezielt in einem relevanten Umfeld zu platzieren. Dass daraus ein gewisser Konnex zwischen Artikel und Anzeige entstehe, liege auf der Hand.
Das Trennungsgebot sei unter anderem durch das Layout und die Platzierung rechts auf dem Bildschirm «strikt und pflichtbewusst» eingehalten worden. Weiter handle es sich um ein animiertes Werbebanner, was im redaktionellen Teil unüblich sei.
Aus Sicht des Presserats war dagegen «nicht immer klar zu erkennen, dass es sich um Werbung handelte». Die Schriftart sei derjenigen des redaktionellen Teils zu ähnlich gewesen. Zumindest am Anfang habe in einem Teil der Publikationen zudem die Deklaration als «Werbung» gefehlt.
Es reiche auch nicht, dass die Werbung in der rechten Spalte erschienen ist und animiert war. «Die meisten Leserinnen und Leser erkennen kaum, dass dies bei Tamedia nur bei Werbung der Fall ist.»
Die im Werbetext verwendeten Formulierungen «unser Dossier» und «Faktencheck» suggeriert zudem, dass es sich um Zusatzinformationen der Redaktion handelt.
Aus all diesen Gründen hat Tamedia den Journalisten-Kodex verletzt. Der Presserat hält aber zugute, dass die Polit-Werbung in späteren Versionen mit «Anzeige» oder «Werbung» angeschrieben war. Damit wurde der Kodex schliesslich doch noch eingehalten.
«In jüngster Zeit befasst sich der Presserat immer wieder mit der Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung. Der Presserat ist beunruhigt über die zunehmend feststellbare Verschleierung von kommerziellen Inhalten. Dies schadet der Glaubwürdigkeit der Medien und damit auch ihrer kommerziellen Grundlage», mahnt das Selbstkontrollorgan zum x-ten Mal.