Content:

Freitag
01.06.2018

Medien / Publizistik

Sind Roboter die besseren Journalisten? Um diese Frage beantworten zu können, hat Tamedia in den letzten Monaten erste Tests mit automatisiert erstellten Texten durchgeführt. Bei der nationalen Abstimmung über das neue Geldspielgesetz vom 10. Juni kommt der Roboter-Journalismus zu seiner Feuertaufe.

«Wir haben uns in den vergangenen Monaten verschiedene Beispiele im Ausland angeschaut und erste Tests durchgeführt», sagt Christoph Zimmer, Leiter der Unternehmenskommunikation von Tamedia, dem Klein Report. Während hierzulande Roboter-Journalismus bis vor Kurzem weitgehend als Zukunftsmusik galt, ist er vor allem bei Nachrichtenagenturen im Ausland bereits praktizierte Gegenwart.

Forbes.com nutzt beispielsweise künstliche Intelligenz, um aus Live-Daten und Inhalten früherer Artikel neue News zusammenzustellen. Und auch die «Los Angeles Times» lässt seit ein paar Jahren einen Teil der Meldungen von Robotern schreiben, wenn es besonders schnell gehen muss - etwa wenn es um die Auswertung von Daten zu möglichen Erdbeben geht.

Die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) lässt Unternehmensquartalszahlen von Robotern analysieren und über die AP landen diese Texte wiederum bei fast allen grossen Tageszeitungen in den USA. Bei solchen Meldungen findet sich jeweils der Hinweis: «This story was generated by Automated Insights.»

Automated Insights wurde vom gleichnamigen US-Technologieunternehmen entwickelt. Dieses Hilfsmittel für die automatische Erstellung von Texten kommt nun auch bei Tamedia zum Einsatz.

Christoph Zimmer erklärt dazu: «Am 10. Juni findet der erste Live-Test statt. Dieser wird vom Team Digital Editorial Development in der Romandie gemeinsam mit unserer IT, der Redaktion der `BZ Berner Zeitung` sowie dem externen Partner Automated Insights realisiert.»

Im Detail sollen die «Roboter-Journalisten» anhand von Daten zur Abstimmung aus den 347 Gemeinden des Kantons Bern und mit Textbausteinen, die von der Redaktion der «BZ Berner Zeitung» bereits vor der Abstimmung vorbereitet wurden, automatisiert kurze Texte zusammenstellen. Dies kurzen Beiträge werden dann auf der Abstimmungskarte der Webseite der BZ aufgeschaltet - und zwar ohne vorher von einem Menschen gegengelesen zu werden, wie Zimmer sagt.

Bedeutet das nun, dass Journalisten auf absehbare Zeit von Robotern ersetzt werden? Der Mediensprecher dementiert: «Nein, wir gehen davon aus, dass es noch lange dauern wird, bis Computer ganze Texte selbständig verfassen können, dafür braucht es die Kreativität der Journalistinnen und Journalisten.»

Zunächst gehe es Tamedia darum, Erfahrungen zu sammeln, was die Textbausteine, den eigentlichen Prozess der Texterstellung, die Datenqualität und auch die Reaktion der Leserinnen und Leser betrifft. Abhängig von den Ergebnissen seien dann weitere Tests denkbar.

Anstatt von einer Verdrängung menschlicher Journalisten auszugehen betont Zimmer das ergänzende Element von Roboter-Journalismus: «Keine Redaktion würde freiwillig für jede der 347 Gemeinden in Bern einen eigenen Text verfassen. Dank der automatischen Erstellung ist das aber möglich. Wir automatisieren also nicht eine bestehende journalistische Leistung, sondern bauen das Angebot aus, wenn auch im Rahmen des Tests natürlich nur sehr begrenzt.»

In Bereichen, in denen viele Daten vorliegen, lasse sich die Berichterstattung durch die automatische Texterstellung deutlich ausbauen, fasst Christoph Zimmer die Ziele des Tamedia-Tests zusammen. «Heute werden nur Texte geschrieben, die ein grosses Publikum erreichen. Dank einer automatischen Erstellung könnte es - wie das Beispiel mit den 347 Gemeinden zeigt - auch möglich sein, Texte für kleinere Zielpublika anzubieten.»