«Tages-Anzeiger»-Chefredaktor Res Strehle hat am Dienstag unerfreuliche Post von seinen Angestellten erhalten. Der Protestbrief kam für ihn aber nicht überraschend. «Ich wusste, dass diese Gruppe ihre Anliegen vorbringen wird und dafür Unterschriften sammelt», sagte er am Donnerstag gegenüber dem Klein Report.
Dass die Journalisten ihr Anliegen auf diese Weise vorbringen, lobt er sogar. «Das ist auch gut so und war stets eine Stärke der `Tages-Anzeiger`-Kultur», meinte er und gab sich kooperativ. «Wir werden uns vertieft damit auseinandersetzen und dort, wo die Anliegen berechtigt sind, die Probleme angehen.»
Bei der inhaltlichen Kritik hört das Verständnis von Strehle allerdings auf. Schwammig bleibt er etwa dann, wenn sich die «Gruppe 200» darüber beklagt, dass das Tagesgeschäft nervös, klickgetrieben und damit anfällig für boulevardeske Übertreibungen sei. «Das halte ich für falsch, zumindest ist es nicht unser Ziel», sagte er.
«Das Tagesgeschäft ist bei einem Newsportal zwar hektisch, aber es sollte nie nervös sein», führte Strehle aus. «Klicks sind ein Scheinwerfer, der bei der Fahrt durch den Newsdschungel hilfreich sein kann, aber nie der einzige. Und boulevardeske Übertreibungen wollen wir nicht.» Ob er den Kritikpunkt als berechtigt ansieht und das von der Redaktion monierte Problem angehen will, liess er jedoch offen.
Auch widerspricht er dem Vorwurf, dass die Qualität bisher unter der Konvergenz gelitten habe. «Ich habe weder Online noch im Print den Eindruck, dass die Qualität nachgelassen hat», so Strehle. Er verwies auf tagesanzeiger.ch, das im Oktober die grösste Reichweite erzielt habe.
Dass die Redaktion die jetzige Konvergenz-Strategie als gescheitert betrachtet, glaubt er nicht. «Das lese ich aus diesem Schreiben nicht heraus», sagte er und schwenkte zu den Perspektiven um. «Niemand zweifelt hier daran, dass die Konvergenz der richtige Weg ist, aber gleichzeitig ist klar, dass nach drei Monaten noch nicht alles optimal laufen kann.»
Weitergehen wie bisher soll es dennoch nicht. «Wir werden alle offenen Probleme im Umsetzungsteam angehen, insbesondere auch die Abläufe und Sitzungspläne», sagte er. Auch soll das Team in Zukunft mit zusätzlichen Mitarbeitern verstärkt und die Redaktion mit weiteren Massnahmen entlastet werden. «Wir prüfen, thematisch noch stärker zu fokussieren, ausserdem überprüfen wir auch den Umfang der Printausgabe und den Rhythmus der Beiträge», sagte Strehle.
Zum Umgang mit den verschiedenen Kanälen, bei denen gemäss der Belegschaft zumindest im Tagesgeschäft nicht klar wird, welche Ziele der Verlag und die Redaktionsleitung verfolgen, sagte Strehle: «Die Veröffentlichung auf verschiedenen Plattformen ist ein wichtiger Pfeiler der Konvergenz, das werden wir sicher nicht in Frage stellen.»
Dass auf der Redaktion dicke Luft herrscht und es zu diesem Protest gekommen ist, spielt er herunter. Auf die Frage, weshalb man in der Chefetage nicht rechtzeitig reagiert hat und einen solchen Protest verhindern konnte, meinte der Chefredaktor: «Alles lässt sich nicht voraussehen.»
«Es war uns zwar stets bewusst, dass der Konvergenzprozess zwischen Print und Online ein schwieriger und langwieriger Prozess ist», so Strehle. «Aber vielleicht haben wir uns auch etwas blenden lassen, dass es am Anfang über Erwarten gut lief.» Den «aktuellen Rückschlag» solle man deshalb «nicht dramatisieren».