Die Jury hatte beim Swiss Poster Award 2012 mehr zu tun als in den Vorjahren. 708 Arbeiten wurden eingereicht, eine Rekordzahl. Und auch die 20-köpfige Jury selbst hat sich die Arbeit nicht einfacher gemacht. Sie hat «erstmals nicht nur die einzelnen Werke sondern auch deren `Binnenmarkt` und Entstehungskontext debattiert», schreibt Jurypräsident Christian Brändle in der Einleitung der Broschüre zu den Siegern des Swiss Poster Award. Die Bedingungen für eine gross angelegte kommerzielle Kampagne seien meist anders als für ein lokales Plakat für einen kulturellen Anlass.
Vom Jurypräsidenten Christian Brändle wollte es der Klein Report genauer wissen und bat ihn zum Interview, um Näheres über den Entstehungskontext zu erfahren.
Klein Report: Sie schreiben in der Einleitung der APG-Broschüre zu den Siegern des Swiss Poster Award, dass der Jahrgang 2012 eindrücklich gezeigt habe, dass das Medium Plakat immer wieder von Neuem überrasche. Was war an diesem Jahrgang besonders überraschend oder speziell?
Christian Brändle: «Die Aussenwerbung generell ist im Aufbruch. Standen früher eher die `klassischen` Formate (auf Papier, F4, F12, City usf.) im Vordergrund, wird aktuell klar, dass sich die Aussenwerbung der Zukunft nicht mehr an mediale Grenzen halten wird. Das wird spannend.»
Sie haben sich in diesem Jahr auch mit dem «Binnenmarkt» und Entstehungskontext befasst. Wieso wurden diese beiden Bereiche debattiert - und wieso wurde das vorher nicht gemacht?
Brändle: «Ein latenter Konflikt schwelte da schon länger: Kann ein Plakat für ein lokales Theater mit einem internationalen Brand (mit Vorgaben zu CI, usf.) telquel verglichen werden? Kaum. Die Debatte hatten wir in der Jury schon immer geführt, neu hingegen haben wir uns vor den einzelnen Kategorien grundsätzlich über die Bedingungen und Erwartungen der jeweiligen Kategorie ausgetauscht. Die Jury hat also bewusst zu Beginn eine andere `Flughöhe` eingenommen, um nicht Äpfel mit Karotten zu vergleichen.»
Inwiefern hatte das einen Einfluss auf die Jurybewertung?
Brändle: «Ich bin überzeugt: Die Jurierung wird so (in der jeweiligen Kategorie) in sich objektiver.»
Sie schreiben weiter, dass die Bedingungen für gross angelegte kommerzielle Kampagnen meist anders als für ein lokales Plakat für einen kulturellen Anlass seien. Wo liegen die wichtigsten Unterschiede?
Brändle: «...ein Lokaler kann `familiärer` argumentieren und werben, kann mehr Risiko nehmen und darauf vertrauen, dass die Kunden die (auch eine komplexere) Botschaft verstehen. Ein schönes Beispiel dazu sind die Kampagnen von Ruf Lanz für Hiltl.»
Und in welchen Kategorien gingen am meisten Bewerbungen ein?
Brändle: «Die Statistik führt die APG SGA. Gefühlsmässig kommerziell lokal.»
Wie wichtig werden animierte Plakate auf Screens? Werden sie - gerade im urbanen Raum - die Zukunft der Aussenwerbung sein?
Brändle: «Erfolgreiche Werbung zieht Aufmerksamkeit auf sich. Werden mehr Sinne angesprochen (neu mit Bewegung, langfristig vielleicht sogar mit Ton, Geruch...?) erreicht der Auftraggeber mehr Aufmerksamkeit. Ob das für das Stadtgefüge und den öffentlichen Raum eine Qualität wird, bleibt zu beweisen. Gerade deshalb ist es der Jury ein besonderes Anliegen, herausragende Arbeiten in diesem Sektor zu würdigen. Mein persönlicher Favorit ist 2012 hier die Parkplatz-Schnee-Kampagne der VBZ: Unerwartet, witzig, situationsgerecht und ökologisch. Meine Wertung: AAA.»
Zeigt sich in der Kategorie Poster Innovations am deutlichsten, wohin sich die Aussenwerbung entwickeln wird?
Brändle: «Die Innovations haben aus obigen Gründen das grösste latente Potenzial.»
TBWA Schweiz erhielt Gold in der Kategorie Poster Innovations für McDonald`s «Les Frappés» - Basis für die Umsetzung war ein Rollplakat (F200LR Rollingstar).
Können Sie drei Ihrer Meinung nach herausragende Plakate nennen, und weshalb diese Sie überzeugt haben?
Brändle: «1) Die Jugendsession aus genannten Gründen... Mit Klebeband Politiker zum Schweigen zu bringen, eine Vorstellung, die vermutlich nicht nur den Machern der Kampagne gefällt. Die Kreativen haben plakativ zum Ausdruck gebracht, dass für einmal nur die Jungen das Sagen haben und die Älteren schweigen müssen... 2) Der `Apfel` der Kategorie Kultur, weil die besten Plakate im Sinne einer `Galerie im öffentlichen Raum` Herz und Auge erfreuen, und 3) die Arbeit von Ruf Lanz generell, weil sie Bild und Text in einmaliger Weise kombinieren.»
Am 14. März 2013 fand die Preisverleihung in Zürich statt: APG SGA Poster Night: «Hans, so gfallsch mer!»
Am 9.3.2012: Christian Brändle: «Schweizer Plakatkunst auf höchstem Niveau»
Am 14.10.2011: Französischer Staatsorden für Christian Brändle