Es brauchte Sitzleder, als die Ständeräte am Mittwoch des Langen und Breiten erklärten, weshalb die Richter unliebsame Medienberichte in Zukunft einfacher stoppen können sollen.
Der kaum enden wollenden Ratsdebatte waren die Warnrufe einer breiten Allianz von Medienhäusern und Medienverbänden vorausgeeilt. In der Erleichterung der superprovisorischen Verfügung sahen sie einen Maulkorb und prophezeiten, dass die Gesetzesänderung einen «enormen Einfluss auf die Gerichtspraxis» haben werde – und damit desaströse Folgen für die Medienfreiheit.
Für diese Unkenrufe hatte der Ständerat Beat Rieder nur Kopfschütteln übrig. «Wenn sich die geschlossene Medienwelt hier ins Zeug legt, als ginge es um Leben und Tod oder um die Pressefreiheit ja oder nein, ist dies nichts anderes als eine hochentwickelte Form von Empörungsjournalismus», sagte der Mitte-Mann aus dem Wallis, als die Ratsdebatte Fahrt aufnahm.
Die Erfolgsaussichten seien ohnehin «nicht überaus gross», um gegen die Rechtsabteilungen von Ringier, CH Media oder der TX Group eine Superprovisorische zu erstreiten. Es gebe kaum Fälle, die ans Bundesgericht weitergezogen worden seien.
«Wir sind nicht im Bereich des normalen Widerstreits von Meinungen, nicht in der durchaus harten politischen Diskussion und scharfen Kritik», erinnerte der Glarner Ständerat Thomas Hefti. Sondern man diskutiere über Rechtsverletzungen, nämlich den Angriff auf Persönlichkeitsrechte.
Heute müsse eine betroffene Person eine drohende Rechtsverletzung hinnehmen, wenn eine solche ihr einen schweren Nachteil verursache. Das sei «kein Pappenstiel», so Hefti.
«Die Freiheit ist nur über den Wolken grenzenlos. Im Bereich der Rechte findet sie ihre Grenze dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Das ist weder ein Anschlag auf die Demokratie noch Zensur», schloss der FDP-Man sein Plädoyer für eine erleichterte Superprovisorische.
SP-Ständerat Daniel Jositsch schloss sich seinen beiden Vorredern an und hob den Wandel der Medienwelt hervor. «Vor zwanzig, dreissig Jahren hat man, wenn in der Zeitung etwas Falsches stand, gesagt: Mit der Zeitung von heute wird morgen bestenfalls noch auf dem Markt ein Fisch eingewickelt.» Was heute dagegen erst einmal ins Web gesetzt worden sei, bringe man nicht mehr weg.
Vergeblich gegen die Erleichterung der Superprovisorischen argumentierte unter anderem Ständerat Hannes Germann aus Schaffhausen. Wenn man das Persönlichkeitsrecht besser schützen wolle, solle man doch besser die Medien «stärker in die Pflicht nehmen», sagte der SVP-Politiker, der bis zu seiner Wahl 2002 in den Ständerat mehrere Jahre für die «Schaffhauser Nachrichten» als Lokal- und Wirtschaftsredaktor gearbeitet hatte.
Er verwies auf das Gebot einwandfreier Geschäftsführung, wie es in der Bankenwelt gilt. «Wenn schon, müsste man fehlbare Informanten oder Journalisten – oder wer immer dann die Verantwortung für Fehlinformationen trägt –, auch entsprechend zur Verantwortung ziehen können» und «den Wahrheitsgehalt als oberstes Prinzip» nehmen, fantasierte Hannes Germann über eine für ihn griffigere Lösung.
Bei der Superprovisorischen gehe es «nur um Machtspiele. Und bei diesen Machtspielen ist der einfache, mittellose Bürger einem Konzern mit professionellen Juristen sowieso ausgeliefert», ob man jetzt die Superprovisorische etwas erleichtere oder nicht.
Auch Christian Levrat kämpfte auf verlorenem Posten gegen die Änderung. Dass es sich nur um eine «Nuanceverschiebung» handle, wie sein Parteikollege Jositsch argumentiert hatte, sei noch keine Rechtfertigung dafür, dass es die Änderung tatsächich brauche.
Last but not least wehrte sich auch Justizministerin Karin Keller-Sutter gegen die Streichung des Wörtchens «besonders». Dass in anderen Bereichen bloss ein «schwerer Nachteil» nötig sei, um vorsorgliche Massnahmen zu erwirken, sei dem Bundesrat zwar bewusst.
Im Interesse der Medien- und Pressefreiheit erscheine es dem Bundesrat aber gerechtfertigt, dass für den Erlass von vorsorglichen Massnahmen gegen Medienberichte besondere Voraussetzungen gelten.