Wie funktioniert News-Journalismus in China und wie funktioniert er in der Schweiz? Die SRF-Fernsehsendung «Reporter» brachte letzten Freitag ein eindrückliches Porträt der Journalistin Martina Fuchs in Peking. Regula Stämpfli hat für den Klein Report die Sendung angeschaut.
Bundespräsidentin Doris Leuthard meinte anlässlich des WEF-Interviews für den «Blick» im Hinblick auf die Menschenrechtslage in China unfassbar naiv: «Sie sehen die Menschenrechte weniger individuell als kollektiv. Die Zahl der Armen ist in China in den letzten Jahren von 400 Millionen auf 50 Millionen gesunken. Der Mehrheit der Menschen geht es besser.»
Leuthard wäre gut beraten gewesen, wenn sie vor diesen Äusserungen die Journalistin von CCTV-News, dem Staatssender der Volksrepublik China, konsultiert oder wenigstens den SRF-Korrespondenten in China, Pascal Nufer, gefragt hätte. Beide äussern sich nämlich kritischer über die Volksrepublik, obwohl beide direkt vom Wohlwollen der chinesischen Machthaber abhängig sind: Martina Fuchs als landeseigene Journalistin, Pascal Nufer als SRF-Korrespondent in China.
Beide wissen, wie sie mit dem heiklen Status als Journalisten im kommunistischen China umgehen müssen. Sie thematisieren diese Gratwanderung auch. Standhaft sein, was die eigene Korruption oder Bestechung betrifft, zurückhaltend, was eine direkte Kritik an den Machthabern angeht.
So gelingt es Pascal Nufer in seinem Porträt zur wirklich beeindruckend kompetenten Martina Fuchs – sie spricht neun Sprachen fliessend! –, die Chancen und Grenzen journalistischer Berichterstattung in der Volksrepublik zu dokumentieren. Bei vielen Cuts dachte ich mir, wie wichtig es wäre, einmal einen chinesischen Reporter oder einen chinesischen Dissidenten in der Schweiz ein Porträt über eine Starjournalistin hierzulande verfassen zu lassen.
Susanne Wille würde sich anbieten. Nicht nur stammt sie ebenfalls aus dem Kanton Aargau, sondern sie gleicht Martina Fuchs auch äusserlich. Beide bewegen sich ähnlich locker vor der Kamera und pflegen einen distanziert-professionellen Stil. Vielleicht sind auch beide in ein System eingebunden, das Frauen zwar erlaubt, News zu rapportieren und zu präsentieren, aber immer um den Preis der persönlichen Zurückhaltung und um den Preis einer sehr angepassten TV-Personality. Pascal Nufer kommentiert aus dem Off, wie perfekt geschminkt, herausgeputzt und kontrolliert Martina Fuchs ihren Job erledigt.
Dabei gilt dies für alle Journalistinnen weltweit. Ebenso wie die Freundlichkeit, das angenehme und den Medienanforderungen angepasste Äussere, inklusive nicht-verfängliche Aussagen gegen den eigenen Arbeitgeber. Wehe, eine erlaubt sich punkto Äusseres oder gar punkto Aussagen einen Patzer! Frauen sind diesbezüglich schneller weg als ein «Merci» in Mandarin gemurmelt werden kann.
Vielleicht sind sich also die Schweiz und die Volksrepublik China in Sachen staatlicher Berichterstattung gar nicht so fremd.
Das sehenswerte Porträt über Martina Fuchs sagt nicht nur viel über das chinesische Staatsfernsehen, sondern auch viel über die Schweiz und deren News-Sendungen aus. News-Rooms sind überall inszeniert. Eine Bühne für die Ware Information, die sich mit hochkompetenten, mehrsprachigen und gut aussehenden Frauen am besten verkaufen lässt.
Wer etwas über die klassischen Medien-, Frauen- und Politikmechanismen im globalen Journalismus erfahren will, ist bei SRF «Reporter» vom 20.1.2017 gut bedient.