Mit dem von der BBC inspirierten Projekt «Chance 50:50» will die SRG ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in ihren Sendungen erreichen. Zu tun gibt es einiges, zum Beispiel bei der Wahl von Interview-Partnerinnen und Expertinnen.
«Fakt ist, dass der mediale Diskurs die Realität respektive bestimmte gesellschaftliche Strukturen abbildet», sagte «Tagesschau»-Redaktionsleiterin und «Chance 50:50»-Projektleiterin Regula Messerli zum Klein Report auf den Wunsch hin, eine Zwischenbilanz des Projektes zu ziehen.
So sei es immer noch eine gesellschaftliche Realität, dass Frauen in leitenden Funktionen unterrepräsentiert sind und dementsprechend auch medial weniger sichtbar.
«Bei SRF versuchen wir dem mit ‚Chance 50:50‘ entgegenzutreten, indem wir bei wissenschaftlichen Themen beispielsweise nicht zwingend immer nur Professorinnen für ein Interview anfragen, sondern auch wissenschaftliche Mitarbeiterinnen», konkretisierte Messerli, was sie meint.
Die Nachwuchs-Wissenschaftlerinnen seien in der Regel kompetent und gewohnt, sich schnell in Neues einzudenken. Damit solle eine «Verengung des öffentlichen Diskurses» verhindert werden, indem neue Expertinnen, und damit verbunden, neue Perspektiven zu Wort kommen.
Die Idee leuchtet ein und scheint praktikabel zu sein. Doch im Tagesgeschäft stossen die Sendungsredaktionen der SRG auf Schwierigkeiten. Es habe sich nämlich gezeigt, dass Frauen «sehr hohe Ansprüche an sich selber haben und eher dazu tendieren, journalistische Anfragen auszuschlagen».
Es gelingt gemäss Messerli also längst nicht immer, angefragte Frauen zu einem Auftritt vor der Kamera oder vor dem Mikrofon zu bewegen.
«Zudem ist es im Journalismus so, dass der Zeitfaktor eine zentrale Rolle spielt. Journalistinnen und Journalisten arbeiten oft unter Zeitdruck, man ist froh um eine zügige Zusage, tendenziell kommt die – noch – eher von Männern», sagte die «Chance 50:50»-Projektleiterin.
Um Abhilfe zu schaffen, ist eine Datenbank mit den Namen von Expertinnen aufgesetzt worden. Damit hätten die Redaktionen der SRG-Sender schneller Zugriff auf Expertinnen, die bereits einmal als Gesprächspartnerinnen aufgetreten sind und tendenziell auch bereit sind, erneut aufzutreten.
«Es ist eine Art Kulturwandel, den wir hier in Gang gesetzt haben. Und der braucht Zeit», bilanzierte Regula Messerli selbst das Projekt, das sie leitet.
Zu tun ist noch einiges. Wie die damalige Leiterin des «Chance 50:50»-Projekts Patrizia Laeri im November 2019, noch vor ihrem Wechsel zu CNN Money, gegenüber dem Klein Report sagte, liegt der Männeranteil in den SRF-Sendungen gemäss Stichproben bei 60 bis 94 Prozent.