Hier eine verletzte Menschenwürde, da ein verletztes Journalisten-Ego: Roger Schawinski macht alles, um die für ihn unrühmliche Sendung vom 8. April mit Salomé Balthus nachträglich in ein besseres Licht zu rücken.
Dabei macht der SRF-Talkmaster auch nicht Halt vor der SRG-Ombudsstelle. Diese hatte ihm vorgeworfen, mit seinem angriffigen Interviewstil die Menschenwürde der Prostituierten Balthus verletzt zu haben.
Statt Besserung zu versprechen, holte Schawinski im Kampf um sein angeknacktes Journalisten-Ego zur Gegenkampagne aus. Er machte damit deutlich, dass die Beanstandung der Ombudsstelle für ihn nichts weiter ist als ein lästiges Störgeräusch, das es zu übertönen gilt.
Gemäss der «Neuen Zürcher Zeitung» hat Roger Schawinski sogar auf eigene Initiative einen Rechtsexperten ausfindig gemacht. Vom Anwalt liess er sich attestieren, dass der Ombudsmann Roger Blum ohnehin falschliege: Die Auffassung, Schawinski habe die Menschenwürde von Salomé Balthus verletzt, sei «nicht nachvollziehbar». Es fehle jegliche Begründung für diese «Behauptung».
Bereits Tristan Brenn, TV-Chefredaktor SRF, hatte seinen Moderator zuvor in Schutz genommen. Schawinski habe Salomé Balthus nie gefragt, ob sie von ihrem Vater sexuell missbraucht worden sei. «Mit seiner Fragestellung wollte der Moderator auch keine Anspielung darauf machen», schrieb Brenn in seiner Stellungnahme zum Fall.
Diese Koalition, die gegen die Einschätzung des SRG-Ombudsmannes argumentiert, zeigt: Statt auf die festgestellten Verfehlungen zu reagieren, wird gegen die Glaubwürdigkeit des Schlussberichts angekämpft.
Der Klein Report wollte deshalb von Roger Blum wissen, ob er als Ombudsmann überhaupt noch ernst genommen werde: «Ein Schlussbericht des Ombudsmannes ist nicht sakrosankt, und es war zu erwarten, dass gerade dieser Schlussbericht in der Öffentlichkeit sowohl auf Zustimmung wie auch auf Kritik stösst», so Blum diplomatisch.
Jedoch geht es ja nicht um Kritik aus der «Öffentlichkeit», sondern ausgerechnet vonseiten der direkt involvierten SRF-Protagonisten selber. Blum sagt zur Gegenkampagne: «Dass Roger Schawinski mit meiner Quintessenz nicht einverstanden ist, war zu erwarten.»
Doch weshalb hatte Blum die Verletzung der Menschenwürde nicht deutlicher begründet und so der Gegenseite eine Angriffsfläche geboten? «Ich habe die Ansicht, dass durch die Frage nach sexuellem Missbrauch in der Kindheit die Menschenwürde von Salomé Balthus verletzt sei, deshalb nicht weiter begründet, weil der Begriff 'Menschenwürde' relativ schwammig ist und es kaum handfeste Kriterien gibt, was sie eigentlich bedeutet.»
Auf Nachfrage des Klein Reports reichte der Ombudsmann die Begründung dann doch noch nach: «Ich kam zu dem Schluss, weil die Frage in einem öffentlichen Interview gestellt wurde. Frau Balthus konnte nicht ausweichen. Sie war quasi blossgestellt. Zudem stellte das Publikum - auch ich - sofort gedanklich einen Bezug her zum vorher gross im Bild vorgestellten Vater. Letztlich geht es ja immer um die Frage, was für eine Wirkung eine Aussage auf das Publikum hat.»
Für Roger Blum ist der Fall Schawinski im Prinzip abgeschlossen. Er sei der Meinung, dass es sich bei der Missbrauchs-Frage um einen Einzelfall handelte, «der sich so kaum wiederholen dürfte».