Mit «Im Schatten der Burg - Leben vor 500 Jahren» hat das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) am Montag sein trimediales Mittelalter-Projekt gestartet.
Auf einer dreiwöchigen Zeitreise schickt der Sender Familie Dietschi ins Mittelalter. Im Gespräch mit dem Klein Report äussert sich Basil Honegger, Redaktionsleiter von «Schweiz aktuell», zum Aufwand des Sommerprojekts, den Unterschieden zu Reality-TV-Formaten wie «Big Brother» und zu Gunst und Missgunst im Online-Voting des «Publikum-Vogts».
Was können Sie über den Vorlauf des Projekts sagen, wie viele Personen wirkten in welchem Zeitraum mit, um das Bauernhaus, den Acker etc. bereitzustellen? Und was können Sie über den Aufwand sagen, den SRF für das Projekt betrieben hat?
Basil Honegger: «Ein solch grosses Projekt beinhaltet natürlich auch einen gewissen Aufwand. Da es ein so genannt trimediales Projekt ist, sind sowohl Mitarbeitende von Radio, Fernsehen und Online involviert. Die Planungen haben bereits letztes Jahr begonnen. In der Konzeptphase war das Team noch nicht so gross, bestand aus drei bis vier Leuten und es waren auch nicht alle mit ihrem ganzen Arbeitspensum nur für das Sommerprojekt im Einsatz. Jetzt während der Umsetzung ist das Team natürlich grösser, um die 30 Leute stehen im Einsatz. Diese Zahl beinhaltet neben den redaktionellen Mitarbeitenden auch die Kamera- und Tonleute, die jetzt natürlich noch dazu kommen. Zudem konnten wir im Laufe des Projektes immer wieder mal auf freiwillige Helfer zurückgreifen, die den Garten gewässert oder Unkraut gejätet haben.»
Welche weiteren Hindernisse galt es vor dem Drehstart zu überwinden?
Honegger: «Zuerst mussten wir viele mögliche Standorte für das Projekt prüfen. Es waren gut 20 Locations. Neu-Bechburg hat sich dann als Glücksfall erwiesen, weil man dort drehen kann, ohne dass man moderne Infrastruktur im Hintergrund sieht. Ein Bauernhaus aus dem Spätmittelalter zu bauen war auch nicht einfach. Auf der einen Seite gibt es keine Baupläne, die man einfach aus der Schublade ziehen kann. Auf der anderen Seite müssen sie für den Bau Vorschriften von heute beachten, zum Beispiel was den Brand- oder Tierschutz angeht. Und dann sicherlich auch die vielen Details, die in diese Zeit passen müssen. Vom Esslöffel bis zum Schweinetrog.»
Das SRF-Publikum kann ab Montag die Familie Dietschi jeden Abend «live» begleiten. Damit ist «Im Schatten der Burg» allenfalls vergleichbar mit einer kulturell angehauchten Variante von Reality-TV-Formaten wie «Big Brother». Was macht das Experiment aus Ihrer Sicht so interessant, was unterscheidet es von früheren Reality-TV-Formaten?
Honegger: «Ganz wichtig: ’Im Schatten der Burg’ ist nicht ’Big Brother’. Wir machen für das Publikum Geschichte erlebbar und inszenieren nicht künstlich irgendwelche Konflikte für die Show. Wir beobachten zwar, wie Familie Dietschi den Bauernalltag um 1517 meistert, dies aber sicher nicht in voyeuristischer Art. Das Spannende am Projekt ist, mitzuerleben wie eine Familie aus der heutigen Zeit in einem Leben wie vor 500 Jahren zurechtkommt. Das Publikum kann sich stets selber fragen, ob es sich so ein Leben vorstellen könnte respektive erfährt, wie es war, damals ein einfacher Bauer zu sein - und das waren 1517 etwa 80 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz.»
Wird es auch Momente geben, die «nach Script» verlaufen? Wie werden die Launen der Natur nachgestellt?
Basil Honegger: «Nach Script wird gar nichts laufen, da wir nicht wissen können, wie die Familie auf die kommenden Herausforderungen reagieren wird. Es gibt kein Drehbuch. Natürlich sind aber ein paar Aufgaben vorgegeben, zu einem anderen Teil können das auch die Zuschauer mittels Online-Voting mitbestimmen.»
Zuschauerinnen und Zuschauer entscheiden per Online-Voting über das Schicksal der Familie auf dem mittelalterlichen Bauernhof: Was sind Ihre Erwartungen ans Publikum, werden die Zuschauer ein milder oder ein harter Landvogt sein? Wo sind die Grenzen der Entscheidungsfreiheit des TV-Publikums?
Honegger: «Das Leben dazumals wurde immer auch bestimmt durch eine Obrigkeit, von der die einfachen Leute abhängig waren. Wie streng oder milde beispielsweise ein Vogt gewesen ist, hing von der Person selbst und auch von den Umständen ab. Diese Wahl haben wir nun dem Publikum übergeben. Sie können mitentscheiden, was für ein Vogt über der Familie herrschen soll. Wir sind gespannt, wie das Publikum entscheiden wird. Die Grenzen setzen wir mit den Fragestellungen und den möglichen Antworten. Da schauen wir darauf, dass es sich um realistische historische Szenarien handelt.»
Die Familie soll davon leben, was auf dem Acker wächst. Was ist in dieser Hinsicht in nur drei Wochen zu erwarten? Was wurde bereits vorbereitet?
Basil Honegger: «Es ist sicherlich so, dass eine Familie dazumals nicht einfach bei Null beginnen musste. Sie haben deshalb auch noch eine ’Reserve’ aus dem letzten Jahr, müssen sich dazu aber aus dem eigenen Garten und vom eigenen Acker ernähren. Dafür haben wir ihnen einen Gemüsegarten angelegt und verschiedene Felder mit alten Getreidesorten, Zwiebeln, Erbsen und Hanf.»