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Montag
29.04.2019

TV / Radio

Imagewechsel: Nathalie Wappler spricht leise und kontrolliert

Imagewechsel: Nathalie Wappler spricht leise und kontrolliert

Die neue Fernsehchefin Nathalie Wappler (51) hat ihre ersten Gedanken und Ideen zum Schweizer Fernsehen (SRF) punktuell in sogenannt «ausgesuchten Medien» bekanntgegeben.

Die Boulevardzeitung «Blick» empfing Wappler in einem «Boutique-Hotel im Zürcher Niederdorf», wo sie dem Blatt «ihr erstes Interview seit Amtsantritt Anfang März» gab, wie das Ringier-Blatt hervorhebt. «Sie wirkt zugänglicher und konzilianter, als sie oft beschrieben wurde – ohne Direktorinnen-Gehabe, eher mit künstlerischem Flair», so der «Blick» über die Interview-Partnerin.

Zu Beginn rückte Wappler ihre Aussage «sie wolle weg vom Meinungsjournalismus», die sie in der «NZZ am Sonntag» geäussert hatte und die Wellen schlug, etwas zurecht. «Ich hätte vielleicht etwas präziser formulieren können, worum es mir generell geht: um einen offenen, transparenten Journalismus, der einen hohen Qualitätsstandard erfüllt. Das heisst beispielsweise auch: Wenn man bei der Recherche zu einem anderen Resultat kommt, als man ursprünglich angenommen hatte, dann soll man dies auch zeigen», so Wappler im «Blick». «Die Unabhängigkeit ist für uns handlungsweisend – darum haben wir auch interne Leitlinien.»

Ob sie wegen dieser Aufregung nun weniger aktiv auf Twitter sei? Sie möge Twitter nach wie vor und lese auch viele Mitteilungen von anderen über Twitter. «Ich bekomme so viel Gutes aus dem Netz vermittelt und sagte mir darum: ‚Du musst der Community auch etwas zurückgeben‘.»

In ihrer neuen Position habe sie aber gemerkt, «dass es andere Reaktionen auslöst, wenn ich weiter auf Links verweise». Deshalb sei sie zurückhaltender geworden.

Nathalie Wappler tritt als Nachfolgerin von Ruedi Matter in Managementfragen ein grosses Erbe an. Matter, der zu Beginn seiner Direktoren-Tätigkeit nicht einmal ein 100-Millionen-Sparpaket bei dem Milliarden-Unternehmen durchbrachte, übergibt Wappler vor allem Grossbaustellen wie das TV-Produktionszentrum in Zürich-Leutschenbach (TPC), das die neue Direktorin nun ins SRF reintegrieren muss sowie «die Etablierung der Kulturredaktion in Basel» und «der Newsroom und die Radiohall in Zürich», was Wappler selber alles «Grossprojekte» nennt.

In zwei Jahren werde SRF ein anderes Unternehmen sein, so die Fernsehdirektorin. «Insgesamt bewegen sich in diesen Projekten etwa 1000 Leute. Das heisst, es kann neue Zusammenhänge, Abläufe sowie Redaktionsstrukturen geben. Das wird auch die Formate verändern.»

Der langjährige «Blick»-Journalist Peter Padrutt verwies darauf, dass das Programm immer noch stark auf dem Strukturplan des damaligen Direktors Peter Schellenberg aus den 1980er-Jahren fusse - mit dem Programmteppich «Puls» am Montag, «Kassensturz» am Dienstag oder der Politsendung «Rundschau» am Mittwoch.

Ob deshalb nicht dringend eine Neuerung notwendig sei? Ein Programm bewege sich immer, so Wappler diplomatisch. Bei der Programmstruktur sei Verlässlichkeit enorm wichtig, was SRF beibehalten möchte, wie beispielsweise die «Tagesschau» um halb acht.

Das Programm werde sich naturgemäss weiterentwickeln, inklusive neue Formate. Im Herbst komme das Format «Es geschah am …», das explizit «einen journalistischen Ansatz beinhaltet». Darin werden Ereignisse aus der jüngeren Schweizer Geschichte dokumentarisch und fiktional thematisiert, wie der Geisterzug von Spiez 2006. «Wir erzählen die Geschichte nach, mit Interviews und fiktionalen Elementen», so Wappler.

Man bleibe auch im Verbund mit der ARD und dem ORF in der Krimiserie «Tatort», denn es sei ein wunderbares Format, so Wappler. «Und jetzt zügeln wir ihn von Luzern nach Zürich – ich freue mich auf zukünftige Folgen», sagte die schweizerisch-deutsche Doppelbürgerin, die in Kreuzlingen aufgewachsen ist und in Konstanz Geschichte, Kunstgeschichte, Politikwissenschaften und Germanistik studiert hat.

Gegen Ende des Interviews wird Nathalie Wappler auf das «Fallbeil vom Leutschenbach» angesprochen. Ein Ausdruck, der erstmals öffentlich in einem Artikel des Klein Reports einige Wechsel unter ihrer damaligen Ägide bei SRF thematisierte. «Auf uns wirken Sie in diesem Gespräch äusserst freundlich», führt Peter Padrutt die Frage ein: «Wie kommt es, dass Sie als Kulturchefin den Übernamen 'Fallbeil vom Leutschenbach' erhielten?» 

Leider antwortete Nathalie Wappler einmal mehr in einem anderen Medium und nicht direkt auf das Thema eingehend mit einem feministischen Narrativ: «Bei Männern heisst es, sie hätten ein starkes Durchsetzungsvermögen oder sie seien entscheidungsfreudig. Frauen hingegen gelten schnell einmal als kalt. Es verwundert mich schon, dass Kolleginnen und Kollegen heute noch so denken.»

Anstatt dem Klein Report damals auf acht schriftliche und einige telefonische Anfragen professionell (und angstlos) zu antworten, schwieg Wappler und duckte sich weg. Hinterher sprach sie aber, darauf angesprochen, im Kulturteil der «NZZ am Sonntag» öffentlich darüber. Dem Sinn nach wiederholte sie das bereits erwähnte Narrativ erneut. Aber: Darum ging es genau nicht im Wappler-Artikel des Klein Reports, da haben sich unter anderem SRF-Stimmen gemeldet, die sich angeblich ungerecht behandelt fühlten.

Mit dem bevorstehenden SRF-Umbau stehen der neuen Direktorin nun mindestens ein Dutzend Management-«Fallbeile» vor der Tür, die sie mit ihrem Team zu bewältigen hat.

Und gewählt wurde Wappler ja gerade wegen einer gewissen Durchsetzungsfähigkeit. Damit gehen oft böse, traurige und andersdenkende Stimmen einher, die Kaderangestellte bewältigen und aushalten müssen. Am Ende nennt man das Führen: Bei Nathalie Wappler sind gute Ansätze da, mit deutlich Luft nach oben, nicht nur im Kommunizieren.