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Sonntag
26.05.2019

Medien / Publizistik

Mindestens drei deutliche Warnungen gab es und «viel zu langsam in die Gänge gekommen.»

Mindestens drei deutliche Warnungen gab es und «viel zu langsam in die Gänge gekommen.»

Ein «verheerendes Bild» zeichnet der Schlussbericht über den Fall Claas Relotius: Zwar habe in der «Spiegel»-Redaktion niemand von den Betrügereien gewusst, aber deutliche Warnsignale seien ignoriert worden.

«Wir haben uns von Relotius einwickeln lassen und in einem Ausmass Fehler gemacht, das gemessen an den Massstäben dieses Hauses unwürdig ist», schreiben Geschäftsführer Thomas Hass und Chefredaktor Steffen Klusmann in einem Posting auf Spiegel Online, wo der 17-seitige Schlussbericht am Freitag publiziert wurde.

Man sei «viel zu langsam in die Gänge gekommen», als erste Zweifel an Relotius´ Texten aufgekommen sind, so Hass und Klusmann weiter. 

Im Schlussbericht erzählt etwa Ex-«Spiegel»-Chef Klaus Brinkbäumer von zwei Momenten, in denen er an Artikel von Claas Relotius gezweifelt habe: Beim Interview mit Traute Lafrenz wunderte er sich, dass eine fast Hundertjährige, die in den USA lebt, innenpolitische deutsche Vorgänge wie den Aufstieg der AfD kommentiert. 

Auch bei der Reportage «Löwenjungen» zweifelte er, der Einstieg sei ihm «allzu perfekt» vorgekommen. «Ich habe es als Reporter selbst erlebt, wie Interviews in Gefängnissen wie dem Irak laufen.» Aber wie auch bei dem Lafrenz-Interview thematisierte Relotius diese Zweifel selbst.

Relotius selbst kommt in dem Schlussbericht nicht zu Wort, sein Anwalt lehnte alle Gesprächsanfragen ab. Insgesamt hat das dreiköpfige Untersuchungskomitee 50 gefälschte oder frisierte Texte gefunden.

Mindestens drei «deutliche Warnungen» habe es in der «Spiegel»-Redaktion gegeben. «Die erste Warnung eines Lesers muss Matthias Geyer, den Leiter des Gesellschaftsressorts, erreicht haben, er hat jedoch nicht reagiert. Bei der zweiten Warnung ist nicht ganz klar, ob - und wenn ja, wen in der Ressortleitung - sie erreichte.» 

Die dritte Warnung war jene des Kollegen Juan Moreno, die den Fall schliesslich ins Rollen brachte - aber auch erst mit einem Verzug von zwei Wochen, in denen nochmals eine gefälschte Titelstory von Claas Relotius produziert wurde.

Jede dieser drei Warnsignale «hätte Relotius stoppen können - zumindest theoretisch.»