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Montag
17.10.2011

Für Politikerinnen und Politiker sind Social Media immer mehr ein Instrument, das sie im Wahlkampf einsetzen. Politische Kommunikation über soziale Plattformen wie etwa Facebook, Youtube, Blog oder auch Twitter gehören mittlerweile fast zum Standard. Inwiefern tragen jedoch Social Media dazu bei, dass Politikerinnen und Politiker von der potenziellen Wählerschaft wahrgenommen werden? Der Klein Report hat mit Medienwissenschaftlerin Raffaela Züst gesprochen.
 
Züst hat in ihrer Lizentiatsarbeit das Verhalten von Jungpolitikerinnen und Jungpolitikern auf Facebook untersucht. Unter dem Titel «Politik per Statusmeldung - Facebook als Instrument politischer Kommunikation. Eine Analyse von Facebook-Profilen Schweizer JungpolitikerInnen» beschäftigte sie sich ausführlich mit dem Thema Social Media.

Was für Ergebnisse hat Ihre Untersuchung an den Tag gebracht?
Raffaela Züst: «Sicherlich bereits bekanntes: Politikerinnen und Politiker nutzen Social Media als Instrument für die politische Kommunikation. Dies wurde auch bei der Ausschaffungsinitiative deutlich: Die meisten nutzen beispielsweise bewusst ihr Profil auf Facebook, um politische Statements zu veröffentlichen. Daneben posten Politikerinnen und Politiker aber auch private und halbprivate Sachen - wie etwa Fotos von Veranstaltungen. Facebook, Twitter und Youtube sehe ich als Plattformen, wo Informationen gestreut werden können. So kann man zum Beispiel einen Artikel über sich selber verlinken, damit ihn die Leute finden. Oder auch mit Fotos, Infos zu Veranstaltungen, Aktionen oder sogar Ferien, die auch mehr zu der jeweiligen Person zeigen. Mit Präsenz und regelmässigen Updates holen Politikerinnen und Politiker das Beste aus Social Media heraus. Facebook ist ein Ort, wo potenzielle Wählerinnen und Wähler vertreten sind. Hier können Politikerinnen und Politiker ihre potenzielle Wählerschaft abholen.»

Wie sieht es bei der Nutzung aus: Sind die jungen Politikerinnen und Politiker eher die, die Social Media als Wahlkampfinstrument brauchen?
Züst: «Nicht mehr generell. Die Jungen nutzen Social Media vielleicht leichter, weil sie auch damit aufgewachsen sind. Es ist jedoch immer wichtiger, dass Politikerinnen und Politiker ebenfalls über Social Media kommunizieren, da die nächste politische Generation mit diesen aufwächst. Der politische Wahlkampf über Social Media wird zunehmen und einen höheren Stellenwert erhalten.»

Ist es möglich, sich beim Wahlkampf ausschliesslich auf Social Media zu beschränken?
Züst: «Ich denke, das ist nicht möglich. Trifft man potenziell auf andere Leute, sind noch lange nicht alle daran interessiert, über Social Media politische Inhalte zu erhalten. Ich denke vor allem an kleine Wahlkreise, wo man sich kennt und Face to Face immer wichtiger wird. Die Chance ist erhöht, dass Nutzerinnen und Nutzer von Social Media zum Beispiel über das Profil eines Politikers stolpern. Doch in den meisten Fällen werden die Nutzer aktiv: Diese müssen aktiv Follower des Twitter-Accounts sein und aktiv die Statusmeldungen der Politikerinnen und Politiker abonnieren.

Menschen, die das nicht machen, werden vielleicht eher über Plakate oder Inserate angesprochen. Zudem sind Social Media nicht ein Heilmittel für Politikverdrossenheit - auch wenn sie in der Theorie als neue digitale Agora gepriesen werden: Obwohl alle Zugang zu Infos und Politik haben und teilnehmen können, bleiben trotzdem viele der Diskussion fern. Diese Leute werden auch nicht über Social Media aktiver. Social Media werden wahrscheinlich noch etwas wichtiger, heben aber andere klassische Wahlkampfmittel nicht auf. Wichtig ist es, dass beides integrativ genutzt wird. Man darf Social Media auch nicht überschätzen: Man sollte nicht vergessen, dass bei den meisten Politikerinnen und Politikern bereits zahlreiche Facebook-Freunde politische Sympathisanten sind und keinen Mehrwert an neuen Stimmen bringen.»

Wo sehen Sie persönlich die Vorteile der Social Media beim politischen Wahlkampf?

Züst: «Social Media sind integrativ. Die potenzielle Wählerschaft kann direkt Antworten, ein Feedback geben. Finanziell gesehen, bieten sie einen Vorteil, weil sie nicht teuer sind. Der Gatekeeper kann zudem umgangenen werden. Das heisst: Ich habe keinen Zwischengestalter, der meine Meinung relativiert. Ich kann meine Meinung direkt weitergeben. Facebook ist eine Art neue ´Stammbeiz´. Social Media haben ebenfalls einen viralen Effekt. Leute stossen beispielsweise über Facebook-Freunde auf ein Profil eines Politikers, auf das sie sonst nicht gestossen wären. Dazu kommt eine gewisse Anonymität. Es ist anonymer, als wenn ich in der ´Stammbeiz´ vis-à-vis von Menschen sitze. Man kann zudem die Leute gut über Social Media abholen und sie zum Wählen mobilisieren. Zudem werden oft auch Infos der Social Media von klassischen Medien aufgenommen und dabei in eine grössere Öffentlichkeit getragen. Nicht zu vergessen ist die Bürgernähe: Man bewegt sich bei Social Media an einem Ort, wo die Leute sind.»

Wo sehen Sie die Nachteile beim politischen Wahlkampf über Social Media?
Züst: «Ich sehe nicht mehr oder weniger Nachteile als beim klassischen Wahlkampf. Sicher sind Social Media zeitaufwendig: Man muss die jeweilige Seite immer bewirtschaften und ständig etwas zu sagen haben. Das kann stressig sein. Zudem stellt sich die Frage: Was gebe ich preis von mir, ohne dass mir jemand einen Strick daraus dreht? Da bin ich für einen Mittelweg: Man sollte nicht all zu viel Privates von sich preisgeben. Zudem wird man verwundbarer, da jeder seinen Kommentar auf meiner Seite abgeben kann. Ein gewisser Kontrollverlust ist auch vorhanden, da ich persönlich nicht weiss, wer meine Seite ansieht. Als Politiker ist man fast gezwungen, die Seite öffentlich zu lassen. Im Prinzip gilt das jedoch auch für klassische Wahlkampfinstrumente.»
 
Welche Social Media werden Ihrer Ansicht nach überhaupt von Politikerinnen und Politikern genutzt?
Raffaela Züst: «Sicher Facebook, weil dort am meisten Menschen vertreten sind. Blogs sind ebenfalls sehr beliebt, da Politiker länger und ausführlicher reden können als etwa auf Facebook. Youtube ist zudem ein Kanal, der immer mehr von Politikerinnen und Politikern genutzt wird. In ansprechender, vielleicht witziger Form können auf diesem Kanal Inhalte wiedergegeben werden.»
 
Was würden Sie den Politikerinnen und Politikern im Umgang mit Social Media raten?
Züst: «Ich habe im Zusammenhang mit meiner Lizentiatsarbeit mit verschiedenen Expertinnen und Experten für Social Media gesprochen. Alle sagen das Gleiche: Es gibt kein Patentrezept, wie Social Media von Politikerinnen und Politikern genutzt werden sollen. Vieles ist Learning by Doing. Inzwischen wurden aber Strategien im Zusammenhang mit Social Media entwickelt, die sind schliesslich im Wahlkampfkonzept niedergeschrieben.
 
Wichtig ist sicher, dass sich die Politikerinnen und Politiker mit ihren anderen Social-Media-Plattformen vernetzen, damit alle miteinander verlinkt sind. Ein Politiker hat vielleicht einen Blog als Anlaufstelle und postet dort sein Statement und dieses wird schliesslich über andere Kanäle wie etwa Facebook oder Twitter verteilt. Die Social Media sollten miteinander genutzt werden und als Bindeglied dienen. Zum Beispiel, dass man so auf Aktionen, Auftritte etc. aufmerksam macht. Zudem rate ich, dass Social Media nicht plötzlich für den Wahlkampf genutzt werden, eine regelmässige Bewirtschaftung erhöht auch die Glaubwürdigkeit.»