Was für Ergebnisse hat Ihre Untersuchung an den Tag gebracht?
Raffaela Züst: «Sicherlich bereits bekanntes: Politikerinnen und Politiker nutzen Social Media als Instrument für die politische Kommunikation. Dies wurde auch bei der Ausschaffungsinitiative deutlich: Die meisten nutzen beispielsweise bewusst ihr Profil auf Facebook, um politische Statements zu veröffentlichen. Daneben posten Politikerinnen und Politiker aber auch private und halbprivate Sachen - wie etwa Fotos von Veranstaltungen. Facebook, Twitter und Youtube sehe ich als Plattformen, wo Informationen gestreut werden können. So kann man zum Beispiel einen Artikel über sich selber verlinken, damit ihn die Leute finden. Oder auch mit Fotos, Infos zu Veranstaltungen, Aktionen oder sogar Ferien, die auch mehr zu der jeweiligen Person zeigen. Mit Präsenz und regelmässigen Updates holen Politikerinnen und Politiker das Beste aus Social Media heraus. Facebook ist ein Ort, wo potenzielle Wählerinnen und Wähler vertreten sind. Hier können Politikerinnen und Politiker ihre potenzielle Wählerschaft abholen.»
Wie sieht es bei der Nutzung aus: Sind die jungen Politikerinnen und Politiker eher die, die Social Media als Wahlkampfinstrument brauchen?
Züst: «Nicht mehr generell. Die Jungen nutzen Social Media vielleicht leichter, weil sie auch damit aufgewachsen sind. Es ist jedoch immer wichtiger, dass Politikerinnen und Politiker ebenfalls über Social Media kommunizieren, da die nächste politische Generation mit diesen aufwächst. Der politische Wahlkampf über Social Media wird zunehmen und einen höheren Stellenwert erhalten.»
Ist es möglich, sich beim Wahlkampf ausschliesslich auf Social Media zu beschränken?
Züst: «Ich denke, das ist nicht möglich. Trifft man potenziell auf andere Leute, sind noch lange nicht alle daran interessiert, über Social Media politische Inhalte zu erhalten. Ich denke vor allem an kleine Wahlkreise, wo man sich kennt und Face to Face immer wichtiger wird. Die Chance ist erhöht, dass Nutzerinnen und Nutzer von Social Media zum Beispiel über das Profil eines Politikers stolpern. Doch in den meisten Fällen werden die Nutzer aktiv: Diese müssen aktiv Follower des Twitter-Accounts sein und aktiv die Statusmeldungen der Politikerinnen und Politiker abonnieren.
Menschen, die das nicht machen, werden vielleicht eher über Plakate oder Inserate angesprochen. Zudem sind Social Media nicht ein Heilmittel für Politikverdrossenheit - auch wenn sie in der Theorie als neue digitale Agora gepriesen werden: Obwohl alle Zugang zu Infos und Politik haben und teilnehmen können, bleiben trotzdem viele der Diskussion fern. Diese Leute werden auch nicht über Social Media aktiver. Social Media werden wahrscheinlich noch etwas wichtiger, heben aber andere klassische Wahlkampfmittel nicht auf. Wichtig ist es, dass beides integrativ genutzt wird. Man darf Social Media auch nicht überschätzen: Man sollte nicht vergessen, dass bei den meisten Politikerinnen und Politikern bereits zahlreiche Facebook-Freunde politische Sympathisanten sind und keinen Mehrwert an neuen Stimmen bringen.»
Wo sehen Sie persönlich die Vorteile der Social Media beim politischen Wahlkampf?
Züst: «Social Media sind integrativ. Die potenzielle Wählerschaft kann direkt Antworten, ein Feedback geben. Finanziell gesehen, bieten sie einen Vorteil, weil sie nicht teuer sind. Der Gatekeeper kann zudem umgangenen werden. Das heisst: Ich habe keinen Zwischengestalter, der meine Meinung relativiert. Ich kann meine Meinung direkt weitergeben. Facebook ist eine Art neue ´Stammbeiz´. Social Media haben ebenfalls einen viralen Effekt. Leute stossen beispielsweise über Facebook-Freunde auf ein Profil eines Politikers, auf das sie sonst nicht gestossen wären. Dazu kommt eine gewisse Anonymität. Es ist anonymer, als wenn ich in der ´Stammbeiz´ vis-à-vis von Menschen sitze. Man kann zudem die Leute gut über Social Media abholen und sie zum Wählen mobilisieren. Zudem werden oft auch Infos der Social Media von klassischen Medien aufgenommen und dabei in eine grössere Öffentlichkeit getragen. Nicht zu vergessen ist die Bürgernähe: Man bewegt sich bei Social Media an einem Ort, wo die Leute sind.»