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Dienstag
20.02.2018

Medien / Publizistik

Rothenbühler findet: «Grenze ist völlig klar»

Rothenbühler findet: «Grenze ist völlig klar»

Eine etwas zu innige Umarmung, ein anzüglicher Spruch unter Kollegen oder ein kleiner Flirt im Rahmen der Firmenfeier: Während der Hashtag #MeToo in aller Munde ist, ist vielen Leuten immer noch nicht klar, wo am Arbeitsplatz die Grenze zur sexuellen Belästigung überschritten wird.

«In Schweizer Medienhäusern wird sexuelle Belästigung nicht akzeptiert», erklärten die angefragten Unternehmen bei einer Umfrage des Klein Reports einhellig. Aber was wird überhaupt unter dem Begriff der sexuellen Belästigung verstanden?

Für People-Journalist Peter Rothenbühler, jahrelang Chef von Werner De Schepper bei Ringier, ist die Grenze «völlig klar», wie er in der Talksendung bei Roger Schawinski auf SRF sagte. Es stimme zwar, dass De Schepper «vielleicht ein grenzwertiges Flirtverhalten» zeige und bei Anlässen «tanzt wie ein Derwisch», so Rothenbühler.

Dennoch verteidigte er seinen ehemaligen Kollegen vehement und bezeichnete die Anschuldigungen gegen den Co-Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» als Hetzjagd und anonyme Denunziationen. Bei seiner Argumentation unterschied Rothenbühler das «vielleicht grenzwertige Flirtverhalten» von «echten Missbräuchen» wie Vergewaltigungen, körperlicher Gewalt oder Zwangsheiraten. «Man macht jedes Mädchen, das einen Spruch gehört hat, zum Opfer.»

Was Rothenbühler dabei vergass, ist die Tatsache, dass nicht nur sexuelle Übergriffe im strafrechtlichen Sinne am Arbeitsplatz unerwünscht sind und durchaus auch weniger weitgehende Verhaltensweisen als sexuelle Belästigung eingestuft werden. Der Klein Report hat nachgeforscht: Verschiedene Verhaltensrichtlinien und Leitfäden der Medienhäuser geben einen Einblick, was unter sexueller Belästigung verstanden wird.

So ist im Code of Conduct der Ringier-Gruppe festgehalten, dass Ringier keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts toleriert. «Keine Mitarbeiterin und kein Mitarbeiter darf sexuelle Annäherungsversuche oder abfällige Bemerkungen über das Geschlecht einer anderen Person machen», heisst es unter anderem dazu - sexuelle Avancen werden demnach nicht geduldet, auch wenn es nicht zu einer körperlichen Nötigung kommt.

Auch die NZZ-Mediengruppe kennt einen solchen Verhaltenskodex, der Teil des Arbeitsvertrages ist. Bei Tamedia wiederum wird in internen Führungsgrundsätzen und im Leitbild ein «wertschätzender und gleichberechtigter Umgang» definiert, sagte Christoph Zimmer, Leiter Unternehmenskommunikation. «Zusätzlich gibt es interne Verhaltensregeln, die Teil des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter sind.»

Dass am Arbeitsplatz nicht nur körperliche Übergriffe, sondern auch verbale Belästigungen nicht geduldet werden, zeigt schliesslich ein Blick in den Gesamtarbeitsvertrag der SRG. Darin ist verankert, dass «keine Form von sexueller Belästigung und Mobbing» geduldet wird, so Mediensprecher Daniel Steiner zum Klein Report.

Gemäss HR-Leitfaden der SRG sind darunter nicht nur «zudringliche Körperkontakte» oder «unnötige Berührungen», sondern auch «anzügliche Bemerkungen», «sexistische Sprüche und Witze», «aufdringliche und taxierende Blicke», Stalking, Annäherungsversuche oder ein SMS mit sexistischem Inhalt zu verstehen.

Denn massgeblich ist nämlich nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Massstab, wie ein Blick auf ein Infoblatt des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) zeigt. Darin steht folgende Grundregel zur Abgrenzung zwischen «harmlosem Flirt» und sexueller Belästigung: «Ausschlaggebend ist nicht die Absicht der belästigenden Person, sondern wie ihr Verhalten bei der betroffenen Person ankommt, ob diese es als erwünscht oder unerwünscht empfindet.»

Entsprechend dieser sehr individuellen Wahrnehmung, ob sich jemand belästigt fühlt oder ob ein Verhalten als «harmloser Flirt» eingestuft wird, fordert etwa Ringier seine Mitarbeitenden dazu auf, «der belästigenden Person sofort und unmissverständlich (mündlich oder schriftlich) mitzuteilen, dass sie deren Verhalten nicht tolerieren», so Ringier-Sprecherin Manuela Diethelm.

Im Code of Conduct steht wörtlich: «Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter teilt offen mit, wenn sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter ihr/ihm gegenüber diskriminierend verhält, weil es sein kann, dass sich diese Person ihres Fehlverhaltens nicht bewusst ist.»

Fälle von Anschuldigungen, die sich im Nachhinein als komplett unbegründet erwiesen haben, habe es bei Tamedia und der NZZ-Gruppe noch nicht gegeben. Einzig die SRG berichtete auf Nachfrage des Klein Reports von insgesamt drei Anschuldigungen, die als ungerechtfertigt eingestuft wurden. Dies bei «weniger als zehn» Belästigungsmeldungen in den vergangenen zehn Jahren.

Ringier macht zu dieser Frage keine Angaben. Peter Rothenbühler versicherte in der «Schawinski»-Sendung allerdings, dass der Fall Werner De Schepper bei Ringier intern gründlich abgeklärt worden sei. «Es gibt in diesem Fall keinen einzigen Eintrag in der Personalakte.»