Das Rennen um den Präsidentensessel bleibt hochspannend: Weder Joe Biden noch Donald Trump können um 19.00 (MEZ) am Mittwochabend genügend Stimmen hinter sich vereinen.
Während der Nacht hat «Klein Report»-Redaktor Jonathan Progin beobachtet, wie die Schweizer Medien die Ereignisse in der Wahlnacht begleitet haben.
Mit einem grossen Personalaufgebot hat Blick TV die ganze Nacht lang aus den Studios im Ringier-Konzernsitz gesendet. Das Moderationsduo Simone Stern und Nico Nabholz haben den Anfang gemacht und die ersten Gäste, darunter Roger Schawinski und Markus Somm begrüsst. In den frühen Morgenstunden sass dann der Blick-TV-Chef Jonas Projer auf dem Sofa und sprach unter anderem mit dem ehemaligen «NZZ am Sonntag»-Chefredaktor Felix E. Müller und mit SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt über Trump und Biden.
Ausserdem versuchte der Online-Sender mit Liveschaltungen in die USA, darunter zu «Blick»-Korrespondent Nicola Imfeld, der nach Delaware geschickt wurde, die Runde aufzulockern. Natürlich setzten die Verantwortlichen auch auf Videos vom grossen US-Nachrichtensender CNN, der bei Blick TV als «Partner» bezeichnet wird.
Blick TV wirkte an gewissen Stellen ein wenig überfordert und überhastet, was das gesamte Informationsvolumen betraf. Der sogenannte Partner CNN machte es da besser: Sobald ein Bundesstaat erste Resultate vermeldete, erklärte Moderator John King welche Bezirke bereits ausgezählt sind – und wiederholte beinahe mantrahaft, dass frühe Zahlen noch nicht aussagekräftig sind. King tat das alles vor einem riesigen Touchscreen und zeigte darauf gekonnt, warum ein Gebiet auf der US-Wahlkarte rot und das andere Gebiet blau eingefärbt ist.
Die «Neue Zürcher Zeitung» hat sich von dieser Wahlkarte anscheinend ein Stück abgeschnitten. Das Visuals-Team hat auf jeden Fall eine Menge Arbeit geleistet für die nach Anzahl Elektorenstimmen gewichtete US-Karte, die sich sowohl am Desktop als auch mit dem Smartphone erstaunlich intuitiv bedienen lässt.
Dass die NZZ nicht nur mit dieser interaktiven Karte zu überzeugen wusste, lag auch an den sauber geschriebenen Texten, die ohne viel Nervosität und unsicheren Prognosen auskamen. So zum Beispiel der Artikel «Die Demokraten jubeln in Arizona» über den vorläufigen Wahlausgang in Arizona von Marie-Astrid Langer. Und trotz Hintergründen, Analysen und einem eher umfangreichen Liveticker konnte die NZZ mit Übersichtlichkeit punkten – ein grosses Plus in dieser unübersichtlichen Wahlnacht.
Wo Liveticker sind, ist auch das Onlinemedium «Watson» nicht weit entfernt. Und tatsächlich: Noch am Mittwochabend wurde der Liveticker auf der Webseite und auf der App als Aufmacher geführt. Allerdings fällt auch eine interaktive US-Karte auf, die im Gegensatz zu derjenigen der NZZ noch nicht entschiedene Bundesstaaten bereits ins republikanische rot oder bereits ins demokratische blau einfärbte.
Ansonsten überzeugt das Onlinemedium mit einem umfangreichen Angebot, das von Interviews und Kurzvideos bis zu Liveschaltungen zum Reporter Petar Marjanović nach Washington alles umfasste. Es wäre aber nicht «Watson», wenn nicht mindestens ein Beitrag Memes und Tweets gewidmet ist. Angesichts der unübersichtlichen und angespannten Lage keine schlechte Wahl.
Beim Schweizer Fernsehen führte der ehemalige US-Korrespondent Arthur Honegger die schlaflosen Zuschauerinnen und Zuschauer in der Schweiz durch die Nacht. Ab 1.45 Uhr ging Honegger mit Elisabeth Bronfen, Kulturwissenschaftlerin und Englisch-Professorin an der Uni Zürich, mit einer Sondersendung auf SRF 1 live.
Das Gespräch, das Bronfen und Honegger führten, war allerdings etwas oberflächlich und stellte keinen grossen Mehrwert für die Berichterstattung dar. Auch die eingespielte Musik, eine Art Trommelwirbel, kurz vor Bekanntgabe einer weiteren Prognose wirkte eher künstlich. Es erinnerte an die grossen US-Sender wie CNN und MSNBC und wirkte daher zu abgekupfert, um wirklich so etwas wie Spannung zu erzeugen.
Interessant hingegen waren die Zuschaltungen von den beiden SRF-Männern in den USA Peter Düggeli und Thomas von Grünigen, die ausgewählte Bundesstaaten unter die Lupe nahmen. Die aus dem ganzen Land eintrudelnden Zahlen ordneten die beiden gut ein.
Trotz allen Einschätzungen von schweizerischen oder US-amerikanischen Medien ist Stand Mittwochabend eines klar: Nichts. Weder Donald Trump noch Joe Biden haben die für den Einzug ins Weisse Haus benötigten 270 Elektorenstimmen erreicht. Und damit haben sie die mit so viel Spannung erwarteten US-Präsidentschaftswahlen zu einer regelrechten Hängepartie gemacht.
Es sieht ganz danach aus, als müssten gewisse Schweizer Journalistinnen und Journalisten eine weitere Nachtschicht einlegen.