Die Aufgabe ist anspruchsvoll: Für ein «eigentlich analoges Unternehmen» eine App entwickeln, die nicht in der «Todeszone» landet. Am IAA-Luncheon referierte Christof Zogg, Director Digital Business bei den SBB, über den Versuch, die SBB-Kunden mit einer neuen App und verschiedenen Kampagnen vom Billettschalter auf die Mobile-Kanäle zu holen.
Mit viel Humor illustrierte Zogg am Freitag vor interessierten Gästen aus der Online-Werbebranche im Metropol in Zürich, dass wir unterdessen in einer «Mobile-First-Welt» leben. Das Handy sei auch an Bahnhöfen oder in Zügen schon längst zum ständigen Begleiter geworden, so Zogg. Die Schnappschüsse, die er präsentierte, bestätigten diesen Eindruck.
Man könnte meinen, die Ausgangslage für App-Unternehmen sei komfortabel in einer «Mobile-First-Welt». Doch dem sei nicht so: «Bis 2014 erfolgte ein steiler Aufstieg, doch seither ist der Wettbewerb immer härter geworden», erklärte Zogg die Marktsituation. Neben wenigen Gewinnern sei es insbesondere für mittelgrosse Anbieter deutlich schwieriger geworden, mit einer App erfolgreich zu sein: «Mittelerfolgreiche Apps landen in der Todeszone», zeigte der SBB-Digitalchef anhand einer Grafik auf.
Die SBB sei zudem «ein steiniger Ort für eine neue App», wie Zogg sagte. Denn als «eigentlich analoges Unternehmen» mit dem primären Auftrag, Personen von A nach B zu bringen, liegen die eigentlichen Kompetenzen der SBB in einem anderen Bereich. Das wurde dem Director Digital Business SBB schnell klar, als er im September 2014 von Microsoft Schweiz zum Transportunternehmen gekommen war.
Wie schwer sich die SBB im Digital-Bereich getan haben, zeigt auch die bislang schleppende Entwicklung der SBB-App. Dies wollte Zogg ändern, indem er Ende 2016 eine neue App präsentierte, die auf eine komplett «neue Art» entwickelt wurde. Die Zeit dafür schien längst überfällig: «Seit 2011 werden mehr Billette mobile als online verkauft», so Zogg.
Und so zählte Zogg bei der Entwicklung der neuen SBB-App auf die Mitentwicklungshilfe von SBB-Kunden. Eine «Preview-Community», bestehend aus 250 000 Nutzern, prüfte die vorläufige Version der App auf Herz und Nieren. Dieses Modell habe sich bewährt: «Wir werden deshalb künftig beibehalten, dass wir zusätzlich zur aktuellen App parallel auch immer eine Preview-App laufen lassen», erklärte Zogg.
Zudem setzten die SBB bei der App-Entwicklung - anders als in der Vergangenheit - auf die Hilfe von Partnern. So habe Zogg bei der Firma Ubique Innovation AG die Idee für einen «Touch-Fahrplan» gesehen. Sofort sei ihm klar gewesen, dass er das auch für die SBB-App haben wollte. «Ich setzte mich mit Ubique zusammen und in der nächsten Woche waren die Verträge unterschrieben», sagte der SBB-Digitalchef am IAA-Luncheon.
Das Resultat dieser Mithilfe von Kunden und Partnern ist die neue App, über die mit nur einem Click und einem «Swap» ein Ticket gelöst werden kann. Zum Vergleich: Bei der alten App waren noch sieben Clicks nötig, um ein Billett zu lösen. Doch die neue Entwicklung hat auch ihre Schattenseiten. Viele SBB-Kunden können die neue App nämlich gar nicht richtig bedienen. Wie ein Sparbillett, ein Klassenwechsel oder ein Nachzuschlag gelöst werden können, wissen nur die Wenigsten.
Deshalb lancierten die SBB parallel zur neuen App, die mit dem «Master of Swiss Apps 2016» ausgezeichnet wurde, verschiedene Kommunikationskampagnen. Neben klassischer TV- und Digital-Werbung sowie der Präsenz an Messen und Veranstaltungen gehörten und gehören auch sogenannte «Silver Surfer Trainings» zum jährlichen Programm. Darin wird älteren Leuten erklärt, wie sie die neue App bedienen können. «In diesem Jahr finden 150 Trainings statt», sagte Zogg dazu.
Doch die Evolution vom Billettschalter zum Automaten, weiter zum Online-Billettkauf und noch weiter zu Mobile sei noch lange nicht abgeschlossen: «54 Prozent der Billette werden immer noch über den Automaten gekauft», so Zogg und vor allem ältere Kunden beziehen ihre Tickets nach wie vor über den Schalter. Die SBB tun gut daran, dies so schnell wie möglich zu ändern, denn «für die SBB ist der Verkauf am Schalter elf mal teurer als über die App», wie Christof Zogg sagte.