Der Unternehmensberater Ernst & Young hat sich ein Interview im «St. Galler Tagblatt» gekauft. Der Beitrag war für die Leser nicht genügend als PR zu erkennen, findet der Presserat.
In dem fast ganzseitigen Interview äusserte sich der neue Länderchef Schweiz der Wirtschaftsprüfungsfirma Ernst & Young, Stefan Rösch-Rütsche, über die Digitalisierung im Alltag der Unternehmen und die Preisverleihung «Entrepreneur Of The Year». In einer Box wurde der Preis beschrieben.
Ganz am Ende des Interviews war zu lesen: «Dieses Interview wurde im Auftrag von EY Schweiz geführt».
Das Layout von Seite 8 weiche kaum vom redaktionellen Artikel auf der gegenüberliegenden Seite ab, beschwerte sich ein Leser beim Schweizerischen Presserat. Der Beitrag sei nicht deutlich genug als Werbung erkennbar.
«Tagblatt»-Chefredaktor Stefan Schmid und Bettina Schibli, Leiterin Lesermarkt, entgegneten, die PR-Seite sei genügend gekennzeichnet: Der Titel im Seitenkopf unterscheide sich durch Zentrierung und serifenlose Schrift, wohingegen die Titel von redaktionellen Seiten linksbündig und mit Serifenschrift publiziert würden. Dazu sei die Verlagspublikation explizit als solche deklariert.
Richtlinie 10.1 des Journalistenkodes verlangt eine «deutliche Trennung»: Bezahlte Inhalte sind «gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben». Und: «Sofern sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden.»
Was fürs «St. Galler Tagblatt» eine eindeutige Kennzeichnung ist, überzeugt den Presserat nicht: «Die geringen Layout-Unterschiede sind für DurchschnittsleserInnen nicht klar ersichtlich. Die beiden Beiträge erscheinen im Gegenteil wie ein übliches Interview mit zugehörigem Hintergrund-Artikel. Leserinnen und Leser werden über den Inhalt getäuscht.»
Und auch die Nennung des Auftraggebers ist für den Presserat zu wenig eindeutig: «Dieses Interview wurde im Auftrag von EY geführt» heisse für den Durchschnittsleser nicht, dass Geld geflossen ist. Er sei auch hier in die Irre geführt worden.
Seit es die Native-Ad-Abteilungen der Zeitungsverlage gibt, interpretieren diese das Trennungsgebot meistens sehr freizügig. In einem Leitentscheid hatte der Presserat deshalb 2019 darauf gepocht, dass der durchschnittliche Leser «auf den ersten Blick» erkennen müsse, dass es sich um Werbung handelt.