Radio-1-Chef Roger Schawinski sieht den Durchbruch von DAB+ noch in zu weiter Ferne. Deshalb hat er sich nach einem Jahr entschieden, Radio 1 nicht mehr über den neuen Standard verbreiten zu lassen. Die DAB+-Hörer würden aber nicht ausgeschlossen, da die DAB-Radios heute gleichzeitig mit UKW ausgerüstet seien.
Der DAB+-Konsum sei «weiterhin marginal und unter fünf Prozent der gesamten Tagesreichweite», heisst es bei Radio 1. Es handle sich zudem um eine «sehr teure» Übergangstechnologie, die selbst viele Jahre nach der gesamtschweizerischen Einführung noch gravierende Nachteile aufweise.
Schawinski steht mit dem Entscheid allerdings ziemlich alleine da. «DAB+ wird UKW in absehbarer Zeit ablösen. Darüber ist sich die gesamte Branche einig», sagt Béatrice Merlach, CEO der Marketing and Consulting for Digital Broadcasting Technologies AG (MCDT). Die MCDT bündelt alle Kräfte rund um Digitalradio in der Schweiz und betreibt die Webseite digitalradio.ch.
Die technischen Probleme, die der Radio-1-Chef anspricht, kennt Merlach. Auf den laut Schawinski «für die Autofahrer so wichtigen Empfang in Tunnels», der noch nicht gewährleistet ist, angesprochen, meint sie: «Im Bereich der Tunnel steigt die Versorgung stetig: Bereits ist eine Reihe vielbefahrener Stadt- und Autobahntunnel versorgt. An der Ausrüstung weiterer Tunnel wird gearbeitet.»
Das Bundesamt für Strassen (Astra) erstelle derzeit in Absprache mit der Branche einen Plan, um den Ausbau der Tunnel mit allen DAB+-Programmen gemäss den relevanten Sicherheitsvorgaben zu regeln, so Merlach. «Die entsprechende technische Machbarkeit wurde in einem umfassenden Pilotversuch durch die SRG zusammen mit der Industrie getestet und im März 2013 vollständig bestätigt.»
Auch beim Empfang über Smartphones verteidigt sie die neue Technologie. «In Smartphones wurden bis heute noch keine DAB+-Empfänger eingebaut», sagte Merlach. «Bis die ersten Smartphones mit DAB+-Empfängern auf dem Markt sind, gibt es trotzdem die Möglichkeit, kostenfrei DAB+-Radio zu hören: mittels Dongle (DAB+-Adapter) für Smartphones und Tablets.»
Es hätten aber schon Feldversuche stattgefunden und es werde zurzeit an DAB+-Chip-Lösungen gearbeitet, die speziell für den Einsatz in Smartphones entwickelt würden und wenig Strom verbrauchten.
Merlach glaubt, dass sich DAB+ als Alternative auch auf den Smartphones durchsetzen kann. «Immer mehr Hersteller verzichten auf den Einbau eines UKW-Empfängers. So kann beispielsweise das neue Samsung Galaxy S4 kein UKW mehr empfangen», sagte sie. Als Alternative bleibt der Empfang via Internetverbindung, wo der Nutzer jedoch aufgrund der Datenübertragungskosten Gefahr laufe, in eine Kostenfalle zu geraten.
Die - nicht gerade kleinen - technischen Probleme gesteht Merlach ein, vom Vorwurf, es handle sich um eine sehr teure Technologie, will sie hingegen gar nichts wissen. Und sie spricht auch die Verbreitung mittels internetbasierter IP-Technologie an, die Roger Schawinksi verwenden will. «Internet-Streaming von Radioprogrammen ist um ein Vielfaches teurer», sagte sie. Die Kosten des Internet-Streamings seien von den einzelnen Programmen, den Serviceprovidern und der Anzahl Internethörer abhängig und könnten darum nicht exakt beziffert werden.
Die Verbreitung eines Digitalradio-Programms mache im Weiteren nur rund 20 Prozent der UKW-Kosten aus und pro Programm würde gerade mal zehn Prozent der Energie benötigt, die Radiohören über UKW verbrauche, rechnete sie vor.
Zu DAB+ sieht sie keine Alternative. «Radio wird heute und auch in Zukunft hauptsächlich terrestrisch verbreitet», sagte Merlach. «Im Moment sowie auch in absehbarer Zeit gibt es beim terrestrischen Radioempfang über die Luft keine andere Alternative zu UKW als DAB+.»