Die Dynastie der Zirkusfamilie Knie, die dieses Jahr mit Glanz und Gloria ihr hundertstes Bestehen feiert, gilt als das Königshaus der Schweiz.
Die Verlegerfamilie Ringier, seit 185 Jahren im Druckgeschäft aktiv, könnte mit viel Phantasie als die Kennedys der Schweiz durchgehen. Das liest sich so indirekt in den Ringier-Medien letzte Woche.
Die Blick-Gruppe und die Boulevardzeitschriften nehmen das Buch des früheren «Blick»-Chefredaktors René Lüchinger, «Ringen um Ringier», zum Anlass, die Familie Ringier und vor allem deren CEO und seit letztem Jahr auch 10-Prozent-Teilhaber, Marc Walder, zum neuen Helden und Wilhelm Tell der Digitalisierung zu erheben oder hochzustilisieren.
Als digitaler Vordenker wird Walder bezeichnet. Walder, Initiant von «digitalswitzerland», dem 130 Institutionen und Unternehmen angegliedert sind, hat das unlängst noch im tiefen Verleger- und Drucker-Sumpf steckende Unternehmen seit 2012 digital auf Vordermann gebracht. «Lag der digitale Anteil an der Kennziffer Ebitda noch bei 0 Prozent, liegt dieser Ende 2018 bereits bei 70 Prozent», steht im letzten Teil der vierteiligen «Blick»-Serie von Freitag.
«Als nächstes soll Ringier nun zu einer technologie- und datengetriebenen Firma werden», heisst es weiter. Um sich gleich darauf der Schweizer Verlegerkonkurrenz gegenüber überheblich zu zeigen. «Vielleicht zeigt all das aber auch, dass in der einheimischen Verlegergilde viele Exponenten noch weitgehend in ihrem alten druck- und printlastigen Geschäftsmodell verhaftet sind.»
Für so viel Überheblichkeit besteht kein Grund. Immerhin sagen die Zahlen im Ringier-Geschäftsbericht 2017 noch etwas anderes. Digitalerlösen von 42 Prozent stehen Vertriebs-, Anzeigen- und Druckerlöse von 51 Prozent gegenüber, plus 7 Prozent sonstige Erlöse. Ausserdem teilt sich Ringier gewisse Digitalsparten wie jobs.ch mit dem Konkurrenten Tamedia und AutoScout und ImmoScout mit dem Versicherer «Die Mobiliar». So oder so: Das Geschäft bleibt ein Tanz auf dem Vulkan.
Aber da ist ja noch Axel Springer. Der deutsche Medienkonzern sitzt zu 50 Prozent bereits seit Jahren im Ringier-Boot. Deren Schweizer Statthalter Ralph Büchi fungiert seit Kurzem als Aufsichtsratchef von Axel Springer. Büchi ist seit Juni 2017 Chief Operating Officer (COO) der Ringier Gruppe und Stellvertreter von CEO Marc Walder. Seit Anfang 2016 leitet er operativ als CEO das Schweiz-Joint-Venture von Ringier und Axel Springer, die Ringier Axel Springer Schweiz AG. Damit wissen die Deutschen haargenau, wie es um ihren Schweizer Bruder steht. Und könnten allenfalls ihre Schlüsse ziehen.
Die Familie Ringier um die Geschwister und Teilhaber Michael Ringier, Evelyn Lingg-Ringier und Annette Ringier sowie deren CEO/Teilhaber Marc Walder jedenfalls lässt sich diese Woche nicht nur im eigenen Boulevardblatt «Blick» feiern. Auch in der aktuellen «Schweizer Illustrierten» aus dem Ringier-Verlag werden dem Buch-Event vier Seiten gewidmet.
Neben dem opulenten Auftritt im Opernhaus Zürich mit Stargästen wie Altbundeskanzler und Ringier-Berater Gerhard Schröder, der neben CS-Präsident Urs Rohner und Ex-SRF-Generaldirektor Roger de Weck sich nicht zu schade ist, der edlen Gesellschaft auf der Bühne aus dem Buch vorzulesen, wird die Familie Ringier auf dem Balkon des Opernhauses effektvoll in Szene gesetzt (im Hintergrund: das Knie-Zelt). Mit dabei strahlen - neben den beiden Michael-Ringier-Töchtern Lilly und Sophie - auch die Evelyn-Lingg-Söhne Roman Bargezi und Robin Lingg samt Gattinnen in die Kamera. Bargezi wird als Leiter Projekte «Ringier Gruppe» angepriesen, Robin Lingg als Geschäftsleitungsmitglied.
Blättert man zurück, wird auf sechs Seiten unter dem Titel «Magische Manege» der Schweizer Königsfamilie Knie hofiert. Die Jubiläumsgala zu «100 Jahre Circus Knie», wie immer mit Stars aus Politik, Wirtschaft und Sport garniert, zeigt die immer gleichen Gesichter, denen man schon in «Blick» und «SonntagsBlick» ein paar Tage zuvor sattsam begegnet ist.
Vor allem dem Mann mit der geschürzten Oberlippe, um dessen Kinn ein mittlerweile graues Bärtchen spriesst. Walder hat es diese Woche nicht nur einmal mehr auf das eigene «Blick»-Titelbild geschafft. Neben Lobhudeleien über seinen Pioniergeist wird der digitale Ritter teils fast ganzseitig abgebildet und als grandioser Retter gefeiert.
Die zehn Prozent Anteil an Ringier jedenfalls, das kann man ihm nicht absprechen, scheint er sich mit seinem unermüdlichen Digital-Einsatz verdient zu haben.