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Freitag
12.03.2010

Nach zweijähriger Planungs- und zehnmonatiger Bauphase hat der Integrierte Newsroom der Blick-Gruppe planmässig in der zweiten Märzwoche den Betrieb aufgenommen. Die vier Redaktionen von «Blick», «SonntagsBlick», «Blick am Abend» und Blick.ch bilden zusammen mit dem Web-TV-Center die grösste Redaktion der Schweiz, nämlich 200 Personen, wie an der Medienkonferenz von Ringier am Donnerstag an der Zürcher Dufourstrasse stolz verkündet wurde. Anwesend waren vorne vor den rund 30 Medienleuten Marc Walder, Geschäftsführer Ringier Schweiz und Deutschland, Hannes Britschgi, Chefredaktor «SonntagsBlick», und der ausführende Projektleiter Newsroom, Edi Estermann; hinten an den Getränke- und Gebäcktischen sah man auch Frank A. Meyer sich an Süssigkeiten gütlich tun.

Marc Walder begrüsste die beachtliche Medienschar, die zur Medienkonferenz geladen war. Letzten Sonntag habe man die Arbeiten im neuen Newsroom aufgenommen. Natürlich seien mehrere, vor allem technische Probleme aufgetaucht. Dann führte man den journalistischen Gästen einen typisch yankee-artigen Videostreifen vor, der die Zukunft schon hinter sich hat - mit iPad und iPhone, wo jedermann und jedefrau mit allen TV-Stationen und Newsplattformen der Welt verbunden ist.

Dann war es an Edi Estermann, die technische und publizistische Seite des integrierten Newsrooms zu erläutern. Ein zweites kurzes Video zeigte die bauliche und architektonische Dimension dieser Installation auf. Kurz und klar kann man sagen: strukturierte Redaktionsräume mit moderner Innenarchitektur, genügend Platz für die einzelnen Redaktorinnen und Redaktoren. Inmitten dieser zweistöckigen Redaktionslandschaft befindet sich der Decision Place, quasi das Kommandozentrum der Chefredaktoren. Hier wird entschieden, was in den einzelnen «Blick»-Medien erscheinen soll. Die Chefs sitzen stirnseitig zur riesigen Videowall (20 m2 Fläche) an einem leicht rundlichen Pult und können somit das Treiben an den auf beiden Seiten angeordneten Tischreihen beobachten.

An der 14-Uhr-Sitzung vom Donnerstag sassen mehr als ein Dutzend zuständige Ressortchefs und Blattmacher um einen Tisch. Der «Decision Place» habe unter Kollegen den Spitznamen «Brücke» erhalten, der sich vermutlich auch durchsetzen werde, meinte etwa Edi Estermann. Die «Kommandobrücke» der Chefs kommt daher wie die vor Jahren eingerichteten Newsrooms der grossen US-Networks wie CBS, NBC oder CNN: futuristisch und etwas moderner, urbaner in der Innenarchitektur als das amerikanische Vorbild. Auf der Videowall lässt sich alles visionieren - die neusten Skandalfotos wie auch ganze Layout des morgigen «Blick». Es besteht der totale Zugriff zu allen Texten und Bildern. Das Ganze erinnert an den Spruch von Herbert Marshall McLuhan, «Das Medium ist die Botschaft», der alles vorausgeahnt hat. McLuhan hat auch als erster den Begriff «globales Dorf» lanciert, und dies schon vor mehr als 30 Jahren.

In der Fragerunde der Gäste, meist Medienjournalisten, schnitt Hanspeter Bürgin das Thema Kosten des neuen Newsrooms an. Darauf antwortete Marc Walder: «Das haben wir ja bereits kommuniziert, 15 Millionen Franken.» Bürgin fragte aber nach, ob dieses Budget nicht noch nach oben korrigiert worden sei. Walder bejahte; im letzten Herbst habe man auf 15 Millionen aufgestockt. Mit dem war aber Hanspeter Bürgin nicht zufrieden: «Und was spart Ringier nun mit dem Newsroom an Kosten ein?» Der Ringier-Chef Schweiz konterte diplomatisch: «Es ist nicht Policy von Ringier, solche Zahlen bekanntzugeben. Wir sind kein börsenkotiertes Unternehmen.»

Für den Beobachter bleibt eine Frage offen: Kosten können gespart werden, die Effizienz wird gesteigert, die Koordination zwischen den Redaktionen verbessert - alles positive Eigenschaften des Newsrooms. Aber bringt er eine höhere und bessere journalistische und publizistische Qualität in Beiträgen, Bild und WebTV? Diese Frage dürfte nur die Praxis beantworten, auch Zweifel sind erlaubt. Es hängt auch davon ab, wie sich die Journalisten und Redaktorinnen ins Zeug legen.