Content:

Dienstag
08.11.2016

Medien / Publizistik

Die geschlossene Zeitung auf web.archive.org

Die geschlossene Zeitung auf web.archive.org

Total 2235 Jahre Haft fordert die Staatsanwaltschaft unter Präsident Recep Erdogan laut der unabhängigen türkischen Nachrichtenagentur für die 226 Journalisten, die im Juli, August und September vor Gericht gebracht worden sind. Eines der jüngsten Opfer der Repressionswelle ist Erol Önderoglu, der seit 1996 als Korrespondent für Reporter ohne Grenzen (ROG) arbeitet.

Am Dienstag muss er sich in Istanbul zusammen mit der Vorsitzenden der türkischen Menschenrechtsstiftung, Sebnem Korur Fincanci, und dem «Cumhuriyet»-Kolumnisten Ahmet Nesi vor Gericht verteidigen.

Dass mit Önderoglu jetzt jemand auf der Anklagebank sitzt, der sich sonst für andere Verfolgte einsetzt, mache das ganze Ausmass der Repression greifbar, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr am Montag - und rief angesichts der «willfährigen türkischen Justiz» zu internationaler Unterstützung für Önderoglu und seine Mitangeklagten auf.

Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Angeklagten «Propaganda für eine terroristische Organisation» vor. Dies, weil sie an einer Solidaritätsaktion für die pro-kurdische Zeitung «Özgür Gündem» teilgenommen hatten. Per Regierungsdekret hat Erdogan das Blatt am 29. Oktober geschlossen.

Önderoglu werden insbesondere drei im Mai in «Özgür Gündem» veröffentlichte Artikel zur Last gelegt, in denen es um Machtkämpfe innerhalb der türkischen Sicherheitskräfte und Einsätze gegen die verbotene kurdische Untergrundorganisation PKK in Südostanatolien ging.

Schon vor dem Putschversuch hatten Journalisten in der Türkei «massiv unter den zunehmend autoritären Zügen von Präsident Erdogan und seiner Regierung zu leiden», erinnert Reporter ohne Grenzen. Seit der Verkündung des Ausnahmezustands habe die Repression gegen Journalisten aber «ein nie gekanntes Ausmass» erreicht.

Momentan sitzen mindestens 130 Journalisten in der Türkei in Haft. Unter dem Ausnahmezustand kann die Polizei Verdächtige für 30 statt zuvor vier Tage ohne Haftbefehl festhalten. In den ersten fünf Tagen nach einer Festnahme kann ihnen der Zugang zu einem Anwalt verwehrt werden.