Anlässlich eines Lunch-Events hat Tamedia-Verleger Pietro Supino am Donnerstagmorgen im Berner Hotel Bellevue vorbeigeschaut.
Mit einem Blick aus dem Fenster sah er Redaktorinnen und Redaktoren der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) und von den Tamedia-Zeitungen «Der Bund» und «Berner Zeitung», die vor dem Hotel gemeinsam gegen den Sparkurs des Medienhauses protestierten.
«Abbau führt zu Einfalt», lautete die Aufschrift auf einem Banner, der ab elf Uhr von lauter Pietro Supinos in die Höhe gehalten wurde. Denn die mehreren Dutzend anwesenden Redaktionsmitglieder trugen eine Maske des Tamedia-Präsidenten. Der richtige Supino sprach kurz darauf im Hotel Bellevue Palace für den Business Club Bern zum Thema «eine starke Mediengruppe als Voraussetzung für unabhängigen Journalismus».
Dieser Umstand erregte die Gemüter in den Redaktionen: «Ausgerechnet Pietro Supino! Der Tamedia-Präsident spielt eine zentrale Rolle bei den laufenden Abbauprojekten in der Schweizer Medienlandschaft, die die Medienvielfalt aushöhlen», lautete eine Mitteilung, die von der Gewerkschaft Syndicom verschickt wurde. Denn die SDA gehöre den Verlegern und Präsident des Verlegerverbandes ist wiederum Supino. Der SDA-Verwaltungsrat wird hingegen von Hans Heinrich Coninx präsidiert.
Dass Journalistinnen und Journalisten von «Bund» und «Berner Zeitung» gemeinsam mit den Redaktionsmitgliedern der Depeschenagentur protestierten, war eine Premiere: Sie alle wurden durch die Verunsicherung, ob sie ihre Stellen auf absehbare Zeit behalten können, zusammengeschweisst.
Syndicom spekuliert aktuell sogar über eine Zusammenlegung der beiden Tamedia-Titel in Bern. Da sich «Bund» und «Berner Zeitung» ohnehin «nur noch auf dem kleinen Feld der Regionalberichterstattung» unterscheiden würden, werde ein Zusammenschluss nach Ansicht der Gewerkschaft «immer realistischer».
Konfrontiert mit diesem Vorwurf dementierte Tamedia gegenüber dem Klein Report dahingehende Pläne: «Zwei Drittel der Inhalte von BZ und `Der Bund` sind exklusiv», so Unternehmenssprecher Christoph Zimmer. «Wir glauben an zwei Tageszeitungen in Bern, solange das Interesse der Leserinnen und Leser in Bern an zwei regionalen Stimmen weiterhin besteht», lautete seine vorsichtige Formulierung.
Man werde die Entwicklung der Werbeeinnahmen und der Abonnemente weiterhin beobachten, erklärte Christoph Zimmer, genauso wie die natürliche Fluktuation in den Tamedia-Redaktionen. Klar sei aber auch: «Wir wollen die Kostensenkungen in erster Linie über Fluktuation erreichen. Wenn das nicht ausreicht, können wir Kündigungen nicht ausschliessen.»
Laut Syndicom seien die Zustände auf den Redaktionen beim «Bund» und der «Berner Zeitung» aufgrund der latenten Verunsicherung prekär. Wie deutet Tamedia den Umstand, dass die eigenen Redaktionen nun gegen den Verleger protestieren? «Der Strukturwandel in der Medienbranche fordert alle und führt zu Verunsicherung. Das ist nachvollziehbar», so Zimmer. «Wir sind überzeugt, mit der Neuaufstellung unserer Zeitungsredaktionen auf dem richtigen Weg zu sein, um auch mit deutlich weniger Einnahmen weiterhin guten Journalismus bieten zu können und in neue Angebote zu investieren.»