In den Redaktionen von «Der Bund» und «Berner Zeitung» rumort es. Während der Mutterkonzern TX Group Dividenden von 37 Millionen Franken für das Jahr 2020 ausbezahlt sowie Kurzarbeitsentschädigung in Millionenhöhe bezogen hat, wird in Bern «einem funktionierenden Modell der Teppich unter den Füssen weggezogen».
Mit einem Manifest unter dem Titel «Keine halben Sachen» sind die beiden Redaktionen von «Der Bund» und «Berner Zeitung» deshalb am Mittwoch an die Berner Öffentlichkeit gegangen. Dabei werden Stimmungen und Aussagen zusammengefasst, die an einer Betriebsversammlung der Belegschaft am Tag nach der Fusionsankündigung geäussert wurden. Diese Innenwahrnehmung unterscheide sich deutlich von der offiziellen Message des Zürcher Medienkonzerns.
Am 8. April hat Tamedia bekannt gegeben, dass sie die Zeitungen «Der Bund» und «Berner Zeitung» sowie ihre Onlineportale zusammenlegen wird. Auch die heute noch eigenständigen Lokalteile sollen ab Oktober 2021 zu einer einzigen Redaktion verschmolzen werden, die aus einer Hand beide Titel bespielt.
Die Geschäftsleitung von Tamedia spricht von «notwendigen Synergien», die umgesetzt werden, einem «zukunftsweisenden Modell», «zwei Titeln mit unterschiedlicher Positionierung». Geschönt wird der Kahlschlag mit der üblichen PR-Phrase, dass damit eine «schlagkräftige Redaktion» entstehe.
Dem hält das Manifest dagegen: «Der Abbau von rund einem Drittel der etwa 100 Journalistinnen und Journalisten bei ,Bund‘ und BZ bedeutet eine drastische Verminderung der Ressourcen, nicht nur im Grossraum Bern, sondern auch in den Aussenredaktionen Burgdorf und Langenthal mit den Regionalausgaben ‚BZ Emmental‘ und ‚BZ Langenthaler Tagblatt‘. Die massiv verkleinerte Redaktion ist zuständig für zwei Zeitungen und zwei Onlineportale, die vorgeben, unterschiedlichen Inhaltes zu sein.»
Etwas dramatischer, aber noch lange nicht theatralisch ausgesprochen würden faktisch also «bloss Seiten und Artikel wie Kulissen zwischen den Titeln hin- und hergeschoben». Und dann werden die zu Kulissenschiebern degradierten Journalistinnen und Journalisten in ihrem Manifest deutlich: «Die Leserinnen und Leser werden für dumm verkauft.»
Selbstverständlich würden die Mitarbeitenden von «Bund» und BZ die schwierige ökonomische Situation der Medien und ihres Verlages verstehen. «Wir sind bereit, Opfer zu erbringen und die Produktivität zu erhöhen – so, wie wir das schon seit Jahren tun.»
Aber man sehe auch, was der Mutterkonzern TX Group im Coronajahr 2020 verdient und an Hilfsgeldern des Bundes eingenommen habe. Auf Stufe Ebitda erwirtschaftete Tamedia 2020 einen Gewinn von 11 Millionen Franken. Auf Gruppenebene betrug das Ebitda gemäss Syndicom sogar 131 Millionen Franken.
«Für das Sparprogramm bei Tamedia in Höhe von 70 Millionen Franken bis Ende 2022 lassen sich ausser der kurzfristigen Profitmaximierung daher keine nachvollziehbaren Gründe erkennen», zog die Gewerkschaft Syndicom in einer früheren Stellungname ein klares Fazit.
Das treibt die Berner jetzt auf die Barrikaden: «Trotzdem zieht nun Tamedia mit einem personellen Kahlschlag dem Berner Modell den Teppich unter den Füssen weg. Der Abbau von 20 Vollzeitstellen bedeutet - ganz abgesehen von der verminderten Medien- und Meinungsvielfalt – umgerechnet den Stellenverlust für rund 30 Mitarbeitende. Es ist unrealistisch, diesen Abbau über natürliche Fluktuationen abwickeln zu wollen. Es kommt fast sicher zu einer harten Massenentlassung.»
In diesem Zusammenhang irritiere und befremde auch das Kommunikationsverhalten der beiden Tamedia-Geschäftsleiter Marco Boselli und Andreas Schaffner sowie der beiden Chefredaktoren Simon Bärtschi und Patrick Feuz. «Seit nun sechs Monaten beraten die beiden Chefredaktoren mit der Tamedia-Geschäftsleitung das riesige Sparprogramm.» Gegenüber den Mitarbeitenden von «Bund» und BZ wurde in dieser Zeit «nur ungenügend beziehungsweise gar keine Transparenz hergestellt».
Man lasse die Mitarbeitenden über ihre persönliche Zukunft weiterhin im Dunkeln. «Die neu geschaffenen Strukturen offenbaren ausserdem, dass der Abbau nicht zulasten des Kaders, sondern der Journalistinnen und Journalisten und der Verankerung in der Region geht.»
Die Ankündigung, dass die Journalistinnen und Journalisten bei der «Neuorganisation» einbezogen würden, wie dies Tamedia in ihrer Mitteilung schreibt, «droht zur Farce zu werden», fühlt man sich in Bern verschaukelt.
Die Forderungen im Manifest zielen deshalb auf mehr Klarheit bei den Abbauplänen und Transparenz auch bei den Kündigungen der freien Mitarbeitenden.
«Alternativ ist ein sozialeres Modell ernsthaft zu prüfen: Würden die 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Pensen um jeweils 20 Prozent reduzieren, entspräche dies dem Gegenwert von 20 Vollzeitstellen.»
Und für den Fall, dass es zu Entlassungen kommt, «muss umgehend der Petition Rechnung getragen werden, die 300 Journalistinnen und Journalisten des Tamedia-Verlages unterzeichnet haben und die eine Verbesserung des geplanten Sozialplanes fordert».
Der titelgebende Punkt des Manifests schliesslich: «Es ist zu prüfen, ob das Festhalten der Brands ,Bund‘ und ,BZ‘ gegenüber der Leserschaft ehrlich und redlich ist.»