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Donnerstag
27.01.2022

TV / Radio

SRF-Reporterteam unterwegs: «Subjektivität geht immer nur in eine Richtung. Entsprechend fühlt sich die ‚andere Richtung‘ nicht verstanden», verteidigen die Ombudsleute den journalistischen Spielraum des Reportage-Genres. (Bild Screenshot SRF)

SRF-Reporterteam unterwegs: «Subjektivität geht immer nur in eine Richtung. Entsprechend fühlt sich die ‚andere Richtung‘ nicht verstanden», verteidigen die Ombudsleute den journalistischen Spielraum des Reportage-Genres. (Bild Screenshot SRF)

«Der Teufel mitten unter uns» hiess die Ausgabe des neuen SRF-Reportageformats «rec.», gegen die es 70 Beschwerden hagelte. Nur in einem Punkt können die Ombudsleute die Kritik nachvollziehen.

Ein Gespenst geht um, auch in der Schweiz: Im Untergrund operierende Zirkel von Satanisten würden in grausamen Ritualen Kinder quälen, sexuell missbrauchen und sogar schlachten. Trotz ernsthaften Ermittlungsbemühungen der Polizei fehlen Beweise für eine solche Schattenwelt.

SRF-Virus-Moderator Robin Rehmann erhielt vor vier Jahren eine Mail von einer jungen Frau, die schrieb, sie sei in einer satanischen Sekte aufgewachsen und rituell missbraucht worden. In diesen Ritualen seien auch Babys geopfert worden, und sie hätte Blut trinken müssen. 

Sie berichtete in einem persönlichen Gespräch mit Robin, dass bei ihr eine dissoziative Identitätsstörung diagnostiziert worden sei und der Verein Cara (Care About Ritual Abuse) ihr dabei helfe, das Geschehene zu verarbeiten.

Die Reportage sei einseitig, unsachlich, voreingenommen, verharmlose die echte Problematik und werfe alle Therapeuten in einen Topf, lauten Hauptvorwürfe in den 70 Beschwerden, die bei der Ombudsstelle eingingen. 

Zudem habe sich das Reporterteam gegenüber seinen Interviewpartnerinnen intransparent und unfair verhalten. Bemängelt wurde ausserdem, dass in der Reportage keine Opfer zu Wort gekommen seien.

Die Redaktion räumte ein, die Protagonisten der Reportage seien vom Reporter Robin Rehmann erst spät über die Schlussfolgerungen des Reporterteams informiert worden, verteidigte sich die Redaktion in ihrer Stellungnahme. Nämlich, dass die These der satanistischen «rituellen Gewalt» nicht auf nachweisbaren Fakten basiere, sondern als Verschwörungserzählungen gälten. 

«Es ist jedoch zulässig, bei heiklen, anspruchsvollen investigativen Recherchen nicht alles vollständig transparent auf den Tisch zu legen und nur das Themenfeld zu skizzieren. Besonders bei Themen, bei denen sich schnell Türen für weitere Recherchen gar nicht öffnen würden.» 

Und weiter: «Selbstkritisch kommen wir zum Schluss, dass in Bezug auf das Fairness- und Transparenzgebot von SRF sich das Reporterteam teils an der Grenze des Zulässigen bewegte.»

Alle Protagonistinnen hätten jedoch Gelegenheit erhalten, telefonisch oder schriftlich Stellung zu nehmen. Die einschlägigsten Argumente daraus seien am Schluss der Reportage veröffentlicht worden.

Zudem weist die Redaktion darauf hin, dass die Reportage nie infrage stelle, dass es (unvorstellbare) Missbrauchsformen und Gewalt an Kindern und Erwachsenen gäbe, die systematisch und wiederholt erfolge. Tatsache sei jedoch, dass es für «rituelle Gewalttaten», die von satanistischen Zirkeln begangen würden, keine Beweise gäbe, trotz internationalen intensiven Ermittlungen.

Die gewählte journalistische Form sei mitentscheidend, ob das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) verletzt worden sei, schreiben die Ombudsleute in ihrer 20-seitigen Stellungnahme. Im Gegensatz zu reinen Nachrichten oder Informationsberichten gehöre die subjektive Einschätzung des Autors zur Reportage. Fakten würden also mit eigenen Eindrücken ergänzt. 

Oder in Bezug auf die kritisierte Satan-Reportage: «Die Reaktionen des Autorenteams nach den Begegnungen mögen teilweise irritieren, sie sind aber Teil des Formats und werden auch transparent als subjektive Wahrnehmung und damit als Kommentar gezeigt. Subjektivität geht immer nur in eine Richtung. Entsprechend fühlt sich die ‚andere Richtung‘ nicht verstanden», verteidigen die Ombudsleute den journalistischen Spielraum des Reportage-Genres.

Was das Sachgerechtigkeitsprinzip angehe, seien alle Tatsachen und Ereignisse zulässig dargestellt worden.

Und dass man die Aussagen eines Oberarztes einer Psychiatrischen Klinik trotz seinem nachträglichen Rückzieher gezeigt habe, sei richtig gewesen. «Das öffentliche Interesse war hier höher zu gewichten.»

In einem Punkt aber hiessen die Ombudsleute die Beschwerden gut: Es wäre nötig gewesen, in der Reportage zu erwähnen, warum man auf Stimmen von Betroffenen verzichtet habe. «Zumal es das Problem des «second hit» (zweite Verletzung) gibt – wenn nämlich Opfern nicht geglaubt wird.»