Roger Schawinskis hohes Talk-Tempo sowie seine aggressive Gesprächsführung haben ihm nun auch eine Schelte des Publikumsrats eingetragen. Schawinski lasse seine Gäste kaum aussprechen und behalte stets die Oberhand, wodurch zwar viele Themen angeschnitten, aber nicht vertieft werden.
«Das hohe Talk-Tempo, welches Roger Schawinski in den ersten drei Sendungen anschlug und das die volle Konzentration des Zuschauers erfordert, wurde vom Publikumsrat als sehr anstrengend beurteilt», teilte das Gremium am Dienstag mit. Die Rollen im Talk seien klar verteilt: Schawinski sei klar der Chef. Das Gespräch fände daher kaum auf Augenhöhe statt, so der Publikumsrat, der sich wünschte, «dass sich Roger Schawinski künftig stärker zurückhält und den Gästen somit mehr Raum gewährt». Eine positive Entwicklung in diese Richtung sei bereits nach drei Sendungen erkennbar, so die mehrheitliche Meinung der Ratsmitglieder.
Die Meinungen der Ratsmitglieder betreffend Sendeplatz gingen weit auseinander. «Für die einen ist der Sendeplatz ideal, für die anderen viel zu spät angesiedelt. Insbesondere die temporeiche Moderation passt wenig zum spätabendlichen Zeitpunkt», so der Publikumsrat. Die Dauer der Sendung wurde hingegen mehrheitlich als ideal beurteilt. Einzelne Ratsmitglieder wünschten sich einen Ausbau der Sendung auf 45 oder gar 60 Minuten.
Die bisherige Auswahl der Gäste sei gemäss Publikumsrat nachvollziehbar, da es sich dabei um schweizweit bekannte, einflussreiche und profilierte Persönlichkeiten handelte, welche in den letzten Wochen im medialen Rampenlicht standen. Allerdings warnten einzelne Ratsmitglieder davor, dass die Gäste häufig in anderen Sendungen von SRF vorkommen und dies zu einer Übersättigung führen könnte. Ausserdem äussern einige Publikumsräte den Wunsch, dass «einflussreich, prominent und medienpräsent» mittelfristig nicht das einzige ausschlaggebende Kriterium für die Auswahl der Gäste bleibe. So gäbe es genügend spannende Persönlichkeiten aus dem gesellschaftlichen Umfeld, welche bedeutende Hintergrundarbeit leisten.
Roger Schawinski reagierte auf die Kritik scheinbar einsichtig: Das Tempo des ersten Talks sei tatsächlich zu hoch gewesen. Es brauche hier noch Erfahrung, bis er ein gutes Mass gefunden habe. Den temporeichen Moderationsstil an sich verteidigten aber sowohl Roger Schawinski wie auch sein Vorgesetzter Diego Yanez, Chefredaktor TV, in ihrer Stellungnahme zur Publikumsratskritik. Genau durch «diesen speziellen Moderationsstil» unterscheide sich die Sendung von anderen Formaten wie dem «Club» oder der «Arena». Zudem wolle man den Gästen keine Plattform bieten, sich wie gewünscht zu präsentieren, sondern man wolle unter die Oberfläche blicken, Widersprüche aufzeigen und in die Tiefe gehen. Dies gelinge nur, wenn die Gäste stets unter Druck stünden. Ausserdem wies Yanez darauf hin, dass sich die Gäste sehr wohl bewusst seien, was sie bei «Schawinski» erwarte und worauf sie sich einliessen.
Aufmerksame «Schawinski»-Zuschauer bleiben derweil skeptisch, ob die aggressive Gesprächsführung wirklich fair gegenüber den Gästen ist. So urteilte der frühere SP-Nationalrat und langjährige Parteipräsident Helmut Hubacher in der «Basler Zeitung»: Im Gespräch mit Jean Ziegler sei Schawinskis Rolle «nur noch bösartig und peinlich» gewesen. Und in der Sendung mit NZZ-Verwaltungsratspräsident Konrad Hummler sei das Gespräch munter über den Bildschirm geplätschert. «Unterhaltsam schon, aber mehr nicht», so Hubacher.
Doch trotz der heftigen Kritik an seiner Sendung gab es für Roger Schawinski auch einen Lichtblick zu Wochenbeginn: Hatten vor einer Woche nur 81 000 Zuschauer (12,7 Prozent Marktanteil) sein (Selbst-)Gespräch mit Jean Ziegler verfolgt, interessierten sich am Montag 138 000 Zuschauer für den Besuch von SVP-Präsident Toni Brunner, was einem Marktanteil von 22,5 Prozent Marktanteil entspricht.