Feuer unter dem Dach der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG): Ein geschickt platziertes Interview von SRG-Generaldirektor Gilles Marchand in der «Neuen Zürcher Zeitung» kurz vor der Frühjahrssession im Parlament verärgert Gegner des Radio-Umzugs von Bern nach Zürich.
Denn für das Radiostudio Bern ist die anstehende Polit-Debatte richtungsweisend.
Die Mitglieder von Pro Radiostudio Bern werfen Gilles Marchand wegen des NZZ-Interviews unter anderem Kalkül und Lobbying vor. Zum innersten Kern der Gruppierung, die sich noch immer vehement gegen den Umzug des Berner Radiostudios nach Zürich sträubt, gehören etwa 25 Mitarbeitende von SRF und TPC.
Sie bleiben mit ihren Aussagen nach aussen hin anonym, weil sie arbeitsrechtliche Probleme befürchten, erklärte ein hier namentlich nicht genanntes Mitglied dem Klein Report. Der Widerstand der SRF-Mitarbeiter gegen den Radioumzug werde von der Chefredaktion seit einigen Monaten nicht mehr toleriert.
Während die Umzugsgegner offenbar einen Maulkorb erhalten haben, lobbyieren die SRG-Entscheidungsträger munter weiter. «Die SRG investiert relativ viel ins politische Lobbying», sagte ein SRF-Angestellter dem Klein Report. So engagiere sich Martina Vieli, Head of Public Affairs, schon seit Wochen gegen «die parlamentarischen Initiativen».
Der Mitarbeiter spricht damit auf die pendenten Vorstösse von Beat Jans (SP), Martin Landolt (BDP), Gerhard Pfister (CVP), Albert Rösti (SVP) und Regula Rytz (Grüne) an. Sie verlangen alle, dass die Radio-Informationsabteilung und die betroffenen 170 Mitarbeiter in der Bundesstadt bleiben. Ab Montag befindet das Parlament über das Schicksal der Initiativen.
Brisant: Weniger als eine Woche vor dem Polit-Showdown betonte Gilles Marchand im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» noch einmal, dass die SRG rote Zahlen schreibe und viel, sogar sehr viel Geld sparen müsse. Ein cleverer Schachzug des Generaldirektors, wenn es darum geht, die Politiker in Sachen Radioumzug auf seine Seite zu bringen.
Denn auch das Radiostudio in Bern drückt laut Marchand auf die Zahlen: Beim Berner Radiostudio könnten drei Millionen gespart werden, führte der Generaldirektor des 1,6-Milliarden-Konzerns aus, der nun plötzlich jeden Stein zweimal umdreht. Total sei bei den Immobilien in der Hauptstadt eine Kostensenkung um fünf Millionen möglich, liess er sich von der NZZ weiter zitieren.
Ist der Zeitpunkt der Kommunikationsoffensive ein Zufall? Die Mitglieder von Pro Radiostudio Bern sind überzeugt, dass das Interview ganz bewusst getimt wurde. «Die SRG platziert vor wichtigen politischen Geschäften aktiv Interviews oder Meinungsbeiträge in der Deutsch- wie in der Westschweiz», heisst es gegenüber dem Klein Report. Und in Sachen Radiostudio-Umzug habe die SRG bei der NZZ schon immer ein offenes Ohr gefunden.
Ganz anders die Umzugsgegner. Um eine Reihe von Aussagen des SRG-Generaldirektors «klarzustellen», meldete sich Pro Radiostudio Bern über Twitter zu Wort. Der Vorwurf: Gilles Marchand habe in besagtem Interview «nicht die ganze Wahrheit» gesagt. «Er hat Details weggelassen oder war ungenau», sagten die Umzugsgegner auf Nachfrage des Klein Reports.
Die Mitarbeiter von SRF und TPC glauben beispielsweise nicht, dass die SRG mit dem Radioumzug tatsächlich so viel Geld sparen könnte, wie von Marchand behauptet wird. Das Sparpotential sei bis heute nicht glaubhaft dargelegt worden, monieren sie.
Auch in anderen Punkten soll Marchand mit einem Auge auf die richtungsweisende Debatte im Parlament eher unscharf kommuniziert haben. So platzierte er im ansonsten durchaus kritisch geführten NZZ-Interview ein politisch motiviertes Statement: «Wir verstärken unsere Inlandredaktion in Bern und das Netzwerk der Korrespondenten in den Regionen. Das zeigt, dass wir unsere föderalistische Dimension auch weiterhin sichern.»
Pro Radiostudio Bern kontert: Marchand bleibe bewusst ungenau, um das Radio-Umzugsprojekt zu legitimieren. So vermische er die Radio- mit der TV-Inlandredaktion. Die Chefredaktion TV habe zwar die Absicht, die TV-Bundeshausredaktion um 1,7 Stellen auszubauen und fünf Vollzeit-Angestellte nach Bern zu verlagern. Hinzu käme ein einziger neuer TV-Korrespondent für Bern. Doch die Radio-Inlandredaktion werde «keinesfalls ausgebaut»: «Im Gegenteil, in den letzten Jahren wurden Stellenprozente eingespart», heisst es bei Pro Radiostudio Bern.
Zudem stehe die Umverteilung in keiner Relation zu den 170 Radiojournalisten, die Ende 2020 nach Zürich ziehen sollen. Und weshalb findet die ganze Erbsenzählerei überhaupt statt, wundert sich der Klein Report? «Diese Transfers und der Ausbau sind geplant, um die vom Umzug nicht betroffenen SRG-Trägerschaften zu besänftigen», ist man bei den Umzugsgegnern überzeugt.
Mit dieser Strategie habe man es bereits geschafft, dass sich die anderen SRG-Trägerschaften beim Radioumzug gegen die SRG Bern Freiburg Wallis gestellt hätten. Damit habe die SRG ihre Regionalgesellschaften geschwächt. «Es ist eine «Teile und herrsche»-Strategie.»