Schon zum vierten Mal in Folge wurde der Schweizer Presserat im Jahr 2020 von einer Beschwerdeflut überrollt. 180 Beschwerden gingen ein. Im langjährigen Durchschnitt waren es bis vor Kurzem noch 80 pro Jahr.
Neben dem starken Anstieg würden die Eingaben aber auch immer umfangreicher und komplexer, «wobei dabei nicht automatisch auch deren Qualität zunimmt», schreibt der scheidende Stiftungsrastpräsident Markus Spillmann im Jahresbericht, der am Freitag publiziert worden ist.
«Auffallend ist zudem, dass (teilweise auch orchestrierte) Mehrfachbeschwerden eingehen und – leider – gewisse Beschwerdeführer bei ihnen nicht genehmen Entscheidungen die im Presserat zuständigen Personen teilweise unflätig kritisieren», so der Ex-CR der «Neuen Zürcher Zeitung».
Mit 98 veröffentlichten Stellungnahmen gab es einen weiteren Rekord. «Trotz der Bemühungen der Geschäftsstelle, des Präsidiums und der grossen Unterstützung eines Presseratsmitglieds ist die Zahl der pendenten Fälle weiter angestiegen», geht aus dem Jarhesbericht weiter hervor.
Das Präsidium verabschiedete 74 Stellungnahmen, die drei siebenköpfigen «Kammern» 23. Eine Beschwerde wurde im Plenum behandelt. Den Kammern werden nur Fälle zugeteilt, welche nicht bereits bekannte Aspekte betreffen. Zu neuen Leitentscheiden kam es im Jahr 2020 nicht.
Von den bearbeiteten Beschwerden wurden 61 abgewiesen, 23 weitere gutgeheissen, die allermeisten davon nur teilweise.
Sicher keine 6, aber doch ein Zeugnis für die Journalisten und Journalistinnen dieses Landes, das sich sehen lässt, findet der Klein Report.
Auffällig auch: Mit je neun Rügen wurde am häufigsten gegen die Wahrheitspflicht und die Regeln zur Quellenbearbeitung verstossen, also rein redaktionelle Angelegenheiten. Mit sechs Rügen am zweithäufigsten rangiert ein Thema, wo vor allem die Kollegen vom Verlag die Finger im Spiel haben: die Trennung respektive Vermengung von Redaktionellem und Werbung.
Die finanzielle Situation des Presserats bleibe «sehr angespannt», schreibt Stiftungsratspräsident Spillmann weiter. Die Stiftung sei sehr dankbar über die vom Bund bisher geleistete Projektfinanzierung.
«Trotz des hochzuhaltenden Prinzips der Selbstregulierung, die sich auch durch die Finanzierung widerspiegelt, wäre aber eine substanzielle Erhöhung des Förderbeitrags unproblematisch und wünschenswert.» Zum Beispiel im Rahmen des Medienförderungspakets, so Markus Spillmann.