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Dienstag
31.01.2012

Alle Anläufe zur staatlichen Presseförderung sind in der Schweiz bisher gescheitert. Zu Recht, wenn der Wettbewerb verzerrt worden wäre. Zu Unrecht, wenn es um die Ausbildung der Medienschaffenden ging. Jetzt unternimmt die Staatspolitische Kommission des Nationalrates den vielleicht entscheidenden Schritt. Für den Klein Report kommentiert Roger Blum.

Jedermann ist sich der staatspolitischen Bedeutung der Medien bewusst. Sie sind «Bestandesträger der Demokratie», wie es der Publizistikwissenschaftler Ulrich Saxer formulierte. Ohne sie könnte die Demokratie nicht funktionieren. Es gibt daher gute Gründe, etwas zu tun, damit ihr «öffentlicher Dienst», ihr Service public, nicht verloren geht. Fast alle europäischen Länder erheben Gebühren, damit Radio- und Fernsehsender unter anderem den politischen Diskurs pflegen können. Viele europäische Länder, etwa Österreich, Italien, Frankreich, Finnland oder Norwegen, unterstützen aus dem gleichen Grund die Presse mit hohen Summen.

Jedermann ist sich gleichzeitig bewusst, dass die Medien in demokratischen Systemen vom Staat unabhängig sein müssen, denn nur dann können sie ihre Kritik- und Kontrollfunktion auch gegenüber der staatlichen Macht ausüben. Und jedermann weiss, dass sich staatsunabhängige Medien im freien Markt behaupten müssen. Wenn der Staat einzelne Medien finanziell unterstützt und andere nicht, dann verzerrt er den Wettbewerb. Die Schweizer Verleger, vor allem die grossen, haben daher die staatliche Presseförderung stets abgelehnt.

Und doch besteht ein Dilemma: Die Vielfalt der klassischen Medien nimmt ab. Der öffentliche publizistische Diskurs verarmt, vor allem in Kantonen mit nur noch einer Tageszeitung. Die Ressourcen der «alten» Medien Zeitung, Radio und Fernsehen brechen weg, weil ein Teil des Publikums ganz oder teilweise auf «neue» Medien wie World Wide Web, Facebook oder Twitter umgestiegen ist. Die Mittel für guten Journalismus werden schmaler. Der Markt sorgt nicht a priori für Qualität. Also sollte man etwas tun, um den für die Demokratie so notwendigen öffentlichen Diskurs auch in der Zukunft zu sichern.

Klar ist: Der Staat kann nicht Regionalzeitungen, die serbeln, subventionieren und hochpäppeln. Dies wäre in der Tat ein fragwürdiger Eingriff in den Wettbewerb. Aber er kann die Ausbildung der Journalistinnen und Journalisten markanter fördern. Damit stärkt er die Grundlagen, auf der die Medienkommunikation aufbaut. Denn gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten sind das A und O der Medienqualität.

Schon jetzt unterstützt der Bund auf der Grundlage des Radio- und Fernsehgesetzes jährlich fünf bis neun Institutionen mit durchschnittlich 900 000 Franken, damit sie Medienschaffende im Bereich von Radio und Fernsehen aus- oder weiterbilden. Auf der Basis des Berufsbildungs- und des Hochschulartikels der Bundesverfassung (Art. 63 und 63a) könnte der Bund zusätzlich Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten unterstützen, die zur Aus- und Weiterbildung von Presse- und Onlinejournalisten beitragen. Auch die Kantone könnten mitfördern. Gefordert sind vor allem die Kantone Bern, Solothurn, Basel-Stadt und Aargau, die bis jetzt nichts getan haben, um die Medienartikel in ihren Verfassungen umzusetzen. Nötig und möglich wäre ferner eine stärkere staatliche Mitfinanzierung der journalistischen Infrastrukturen, nämlich der Nachrichtenagenturen.

Doch bisher hatte in der Schweiz keine Spielart der Medienförderung je eine Chance. Das Parlament bodigte 1986 den Presseförderungsartikel, den Bundesrätin Elisabeth Kopp eingebracht hatte. Es sagte 2005 Nein zur Parlamentarischen Initiative der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates, die einen von Andreas Gross (SP) angeregten Verfassungsartikel «Medien und Demokratie» vorgeschlagen hatte.

Inzwischen hat sich indes dreierlei geändert: Erstens ist die Lage der Medien noch dramatischer geworden. Zweitens hat der Bundesrat, veranlasst durch ein Postulat von Nationalrat Hans-Jürg Fehr (SP) und gestützt auf wissenschaftliche Forschung, 2011 einen Bericht zur Lage der Presse vorgelegt und dabei das Fazit gezogen, dass Handlungsbedarf bestehe - allerdings mit der Einschränkung: nicht jetzt, sondern vielleicht in vier Jahren. Und drittens handelt nun die Staatspolitische Kommission des Nationalrates: Sie gibt sich mit dem Fazit des Bundesrates nicht zufrieden, sondern verlangt mit einer Motion, dass die Landesregierung jetzt sofort handelt. Sie soll ein Förderkonzept zur Stärkung der staats- und demokratiepolitischen Bedeutung der Medien erarbeiten und innert zweier Jahre den Entwurf rechtlicher Grundlagen für die direkte und indirekte Medienförderung unterbreiten.

Es ist klar: Die Motion braucht die Mehrheit im Nationalrat. Und sie braucht danach die Mehrheit im Ständerat. Das Parlament ist darauf angewiesen, dass der Bundesrat mitzieht. Und die Vorlage, die die Regierung dann allenfalls unterbreitet, braucht nochmals die Mehrheit in beiden Kammern des Parlamentes.

Aber vielleicht kann diesmal der Durchbruch gelingen. Denn es gibt Anzeichen, dass das Fundament solider ist als auch schon. Erstens sitzen in der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates prominente Parlamentarier. Präsidiert wird sie von Ueli Leuenberger (Genf), dem Parteipräsidenten der Grünen. Unter den SVP-Vertretern sichtet man Christoph Blocher (Zürich), Hans Fehr (Zürich), Rudolf Joder (Bern), den früheren Nationalratspräsidenten André Bugnon (Waadt) und den Parteivizepräsidenten Yvan Perrin (Neuenburg). Zur SP-Deputation gehören Andreas Gross (Zürich), Alex Tschäppät (Bern) und der Fraktionsvizepräsident Andy Tschümperlin (Schwyz).

Weiter findet man in der Kommission den grünliberalen Parteipräsidenten Martin Bäumle (Zürich), die Freisinnigen Philipp Müller (Aargau), Kurt Fluri (Solothurn) und Isabelle Moret (Waadt), die CVP-Vertreterin Ruth Humbel (Aargau), den BDP-Vertreter Martin Landolt (Glarus) und den Grünen Balthasar Glättli (Zürich). Zweitens fiel der Entscheid für die Motion mit 15:0 Stimmen bei sechs Enthaltungen und vier Abwesenden.

Das sind günstige Voraussetzungen. Das lässt hoffen, dass der entscheidende Schritt gelingt. Und dass der Weg frei wird für eine dem freien Wettbewerb und der direkten Demokratie angemessene Medienförderung. Zeit wärs.