«Normalerweise mache ich mir nicht viel aus Preisen. Hier war mir aber die Geschichte sehr wichtig und ich wollte mich für diesen Burschen engagieren», sagte «Weltwoche»-Journalist Alex Baur dem Klein Report zu seinem Gewinn des Zürcher Journalistenpreises. Er hatte seinen Artikel «Ich möchte frei sein» über den «Fall Carlos» selbst eingereicht.
In einer reflektierten Rede sprach Baur am Dienstagabend über seine Begegnungen mit dem jungen Straftäter, seinen ersten Kontakt mit «Carlos» und darüber, dass dieser über einen Text, den Baur über «Carlos» geschrieben hatte, auf ihn aufmerksam wurde und Kontakt mit ihm aufnahm. Baur bedankte sich für den Preis, obwohl er schmunzelnd anfügte, «ich bin nicht ganz sicher, was mein Chef dazu sagt».
Neben Alex Baur wurden im Zürcher Kaufleuten auch «Tages-Anzeiger»-Journalistin Simone Rau und «Finanz und Wirtschaft»-Chefredaktor Mark Dittli für ihre Arbeiten geehrt. Ringier-Journalist Frank A. Meyer erhielt den Preis für sein Gesamtwerk.
Etwas peinlich mutete der ganz Tross an, der im Schlepptau von Meyer angetrabt kam: nebst Verleger Michael Ringier, der sich nach der genauen und gut präsentierten Rede Meyers gleich davonmachte, Meyers Lebenspartnerin Lilith Frey und eine ihrer Töchter, Christine Maier, die neue Chefredaktorin des «SonntagsBlicks», Ringier-Pressesprecher Edi Estermann und sowieso vor Ort, weil jetzt neu Jurypräsident des «Zürcher Journalistenpreises»: Hannes Britschgi.
Und der auch im Tross angereiste «Blick»-Fotograf Philippe Rossier drappierte dann die Ringier-Leute so, dass sie alle am Mittwoch in den entsprechenden Ringier-Gefässen - bei SRF würde man von Vektoren schwurbeln -, abgenudelt werden können. Hier fehlt es bei Ringier etwas an Reflexion fürs grössere Ganze.
Frank A. Meyers Rede war durchdacht und klug. Das Thema Lebenswerk beschäftigte ihn nicht zu Unrecht, da er sich ja auch immer als verkannter und zu wenig geehrter Denker sieht. Obwohl es ja auch kein Menschrecht auf einen Swimmingpool im Garten gibt, knorzen die Verbände immer wieder an den zu vergebenen Blumentöpfen für Journalisten.
Meyer thematisierte sein Lebenswerk nicht als ein Werk, sondern als eine Summe von vielen kürzeren und längeren Texten, wobei der wichtigste Text immer derjenige ist, der gerade ansteht. Und schlimmer als das Leiden durch das Schreiben einer Kolumne ist nur das Leiden, keine Kolumne zu schreiben, so der Journalist. Und weil Preisen für ein Lebenswerk immer etwas Morbides anhaftet, ehrte Meyer in seiner Rede seine Journalistengeneration mit diesem Preis, er führte die Ehrung zu Recht in etwas Grösseres.
Wie Alex Baur hat auch Mark Dittli seinen im «Magazin» erschienenen Artikel «Die verpasste Chance» über die Spätfolgen der Finanzkrise selbst beim Journalistenpreis eingereicht. «Ich habe viele positive Rückmeldungen auf den Artikel erhalten. Vor allem von Leuten aus der Finanzmarktaufsicht, der Nationalbank und dem akademischen Umfeld. Den Artikel habe ich für den Preis vorgeschlagen, weil es mein grösstes Stück war, wo am meisten Arbeit drinsteckt», erklärte er dem Klein Report.
Das Thema des Artikels beschäftigte Dittli schon seit Längerem. Der Wirtschaftsjournalist ging damit fünf Jahre nach der Finanzkrise der Frage nach, ob sich etwas geändert hat und das Finanzsystem sicherer geworden ist, oder ob eine ähnlich Krise wie 2008 auch heute wieder möglich wäre.
Auch Alex Baur konnte den Journalistenpreis mit einem Thema holen, über das er immer wieder geschrieben hatte: «Ich habe mich an einem Sonntagnachmittag mit dem Vater von Carlos getroffen, der mir erzählte, seinem Sohn gefielen meine Artikel zu dem Fall sehr gut. Ich sprach danach zwei Stunden mit Carlos, der mich aus dem Strafvollzug anrief. Es war ein sehr spannendes und spontanes Gespräch.»
Baur erhielt aber nicht nur positive Reaktionen auf sein Interview mit dem jugendlichen Straftäter. Manche Leute hätten ungläubig reagiert, erinnerte er sich gegenüber dem Klein Report: «Sie fanden, dass Carlos darin zu intelligent und überlegt wirkt. Carlos selbst fand den Artikel aber sehr gelungen. Darüber war ich froh, da ich ihm das Interview nicht zum Gegenlesen geben konnte. Nun bin ich zufrieden, dass ich gerade für diese Geschichte prämiert wurde.»
Für Mark Dittli ist die Auzeichnung mit dem Zürcher Journalistenpreis «eine grosse Ehre». Mit dem Preis werden jedes Jahr herausragende journalistische Arbeiten ausgezeichnet, er ist mit 10 000 Franken dotiert.
«Ein journalistisch gelungener Artikel erzählt die Geschichte packend, geht in die Tiefe und zeigt komplexe Zusammenhänge auf, ohne banal zu wirken», sagte Dittli auf die Frage, was denn einen herausragende journalistische Arbeit seiner Meinung nach ausmache.