Das Bundesgericht weist am Mittwoch in einer öffentlichen Sitzung die vier Beschwerden zur Nachzählung des RTVG-Abstimmungsergebnisses endgültig ab. Dabei weicht es von seiner eigenen Praxis ab, die das Gericht selber noch 2009 nach dem ebenfalls knappen Abstimmungsergebnis zum biometrischen Pass beschrieben hat.
Damals hielt das Bundesgericht das Resultat «zwar für relativ knapp, aber nicht für derart knapp, dass die Nachzählung vorgenommen werden müsste», wie es 2009 begründet wurde. Gleichzeitig räumte das Gericht vor 6 Jahren ein, dass bei einer Auszählung «per se» vorkommende Fehler ausreichen würden, um eine Nachzählung anzuordnen.
Das Ergebnis zur RTVG-Abstimmung, das mit 3696 ausschlaggebenden Stimmen knapper kaum sein könnte, hätte nun die erforderliche Schwelle zu einer erneuten Auszählung vermutlich überschritten. Nun macht das Gericht in Lausanne eine Kehrtwende: «Auch bei einem knappen Abstimmungsergebnis muss nur dann nachgezählt werden, wenn es zu Unregelmässigkeiten gekommen ist».
Weiter bestünden bei der RTVG-Abstimmung «weder schweizweit noch im Kanton Zürich konkrete Anzeichen auf Unregelmässigkeiten, die nach Art oder Umfang geeignet wären, das Resultat zu beeinflussen», heisst es in der Medienmitteilung vom 19. August.
Eine Praxisänderung bedarf «ernsthafter, sachlicher Gründe», so die Lausanner Richter, weil eine Änderung der Rechtsprechung ohne Ankündigung immer auch Rechtsunsicherheit schafft. Das Gericht begründet diese veränderte Praxis mit der Teilrevision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR), die erst per November in Kraft treten wird.
«Im Rahmen dieser Teilrevision haben die eidgenössischen Räte beschlossen, dass auch ein sehr knappes Abstimmungsergebnis nur dann eine Nachzählung erfordert, wenn Unregelmässigkeiten glaubhaft gemacht werden», schreibt das höchste Gericht der Schweiz.
Dass die Revision des BPR, auf welche sich das Bundesgericht stützt, politisch umstritten ist, zeigt eine parlamentarische Initiative von Thomas Minder, die er im Juni diesen Jahres eingereicht hat und die im Rat noch nicht behandelt wurde. Darin fordert er eine Nachzählung auch ohne Nachweis von Unregelmässigkeiten, wenn die Differenz zwischen Ja- und Neinstimmen weniger als 0,3 Prozent beträgt, was bei RTVG der Fall wäre.
«Die Stimm- und Wahlfreiheit verlangt, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt», argumentiert Minder im Initiativtext.