Die Schweizerische Post ist auf Einkaufstour. Der umstrittene Kauf des Werbevermarkters Livesystems im letzten Sommer ist nur einer von mehreren Übernahmen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) befürchten unfaire Konkurrenz durch den staatsnahen Betrieb.
Der Klein Report sprach mit Lars Guggisberg. Als Direktor des Berner Gewerbeverbandes schaut der SVP-Nationalrat aus dem Blickwinkel der KMU auf die Expansionspläne der Post.
Die Post hat im Juli angekündigt, dass sie bis 2024 drei Milliarden Franken in Infrastruktur, Digitalisierung ihrer Dienste und Akquisitionen von Firmen investieren will. Wie klingt diese Ankündigung in Ihren Ohren?
Lars Guggisberg: «Diese Ankündigung gibt zu denken, überrascht aber leider nicht. Sie reiht sich nahtlos ein in die unrühmlichen Aktivitäten der Post in den letzten Jahren, die immer mehr zu Wettbewerbsverzerrung und ungleich langen Spiessen führt. Die Post leistet sich Einkaufstouren und setzt ihre Privilegien ein, um privatwirtschaftliche Betriebe zu konkurrenzieren.»
Was bedeutet das für die kleineren und mittleren Unternehmen, für die Sie sich beim Berner Gewerbeverband einsetzen?
Guggisberg: «KMU werden in unfairer Art und Weise aus dem Markt gedrängt. Dem Schweizer Detailhandel gehen allein durch den ‚Gemischtwarenladen Post‘ jährlich rund eine halbe Milliarde Franken durch die Lappen. Gleichzeitig baut die Post mit der Ausdünnung des Poststellennetzes, der Verteuerung der Kern-Dienstleistungen und dem Abbau von Lieferfrequenzen den Service Public stetig ab.»
Mal vom Detailhandel abgesehen: Für welche anderen KMU ist die Post ein unfairer Mitbewerber und weshalb?
Guggisberg: «Die Liste ist lang. Mit dem Kauf von Livesystems bietet sie digitale Aussenwerbung an, mit der Akquisition von Klara Business Buchhaltungs- und Unternehmenssoftware an, mit dem Erwerb von Tresorit konkurrenziert die Post KMU, die als Dienstleitung Datenaustausch in der Cloud anbieten, mit dem Kauf von SwissSign digitale Dienstleistungen wie die SwissID, Zertifikats- und Signaturlösungen. Das Anbieten einer digitalen Infrastruktur für Werbung und Kommunikation gehört nicht zu den Aufgaben der Post. Zusätzlich stossend ist, dass die Zukäufe zu überhöhten, nicht marktkonformen Preisen geschehen.»
Die öffentlich-rechtlichen Unternehmen stehen unter grossem Erfolgsdruck, der politisch gewollt ist. Sie sollen innovativ sein, sich diversifizieren und dabei dem Steuerzahler nicht auf dem Portemonnaie liegen, sondern gerne sogar Gewinne machen. Inwiefern kann man der Post und Co. daraus einen Vorwurf machen?
Lars Guggisberg: «Es ist eine Frage des Masses und der Sensibilität. Sobald privatwirtschaftliche KMU derart konkurrenziert werden, dass sie aufgrund des Wettbewerbsnachteils gegenüber der Post aus dem Markt gedrängt werden, schadet dies der gesamten Volkswirtschaft. Letztlich stehen Arbeitsplätze und Lehrstellen auf dem Spiel.»
Wie sehen Sie eine Post der Zukunft, die den privaten KMU keine unfaire Konkurrenz mehr macht? Was müsste sich ändern?
Guggisberg: «Es braucht klare Leitplanken, die festlegen, wie sich Staatsbetriebe wettbewerbsneutral verhalten sollen. Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, um solche objektiven Kriterien auszuarbeiten. Das Ziel ist, die gewonnenen Erkenntnisse auf allen Staatsebenen anzuwenden. Erste Ergebnisse möchten wir im ersten Quartal 2022 präsentieren.»
Sie sitzen für die Berner SVP im Nationalrat – was läuft im Parlament in dieser Sache?
Lars Guggisberg: «In der Herbstsession haben wir die Parlamentarische Gruppe ‚Fair ist anders‘ gegründet, damit sich auch die nationale Politik in Zukunft prioritär um die Problematik kümmert.»
Wo sehen Sie den legitimen Geschäftsbereich der Post?
Guggisberg: «Die Post soll ihren Service-public-Auftrag erfüllen und sich in erster Linie auf dieses Kerngeschäft konzentrieren. Das in der Bundesverfassung verankerte Subsidiaritätsprinzip muss in Zukunft auch für die Post gelten.»