Die Eidgenössische Medienkommission (Emek) will dem Journalismus den Rücken stärken. Im Gespräch mit dem Klein Report skizziert Kommissionspräsident Otfried Jarren die Idee eines Markt-Labels für journalistische Produkte - und wagt einen verhalten optimistischen Blick in die Zukunft.
«Die journalistische Leistung muss erkennbar sein, was sie unter digitalen Bedingungen nicht immer ist», sagt Otfried Jarren. Und die journalistische Leistung müsse unterscheidbar sein von PR-Meldungen oder Formen des Para-Journalismus.
«Das sehen wir als Voraussetzung dafür an, dass eine hinreichende Zahlungsbereitschaft für Journalismus entwickelt werden kann», so der Emek-Präsident gegenüber dem Klein Report.
Ein neues Diskussionspapier der Emek bemängelt das Fehlen einer Preis-Leistungs-Übersicht bei journalistischen Produkten. Lässt sich Journalismus aber wirklich wie Eier oder eine Waschmaschine mit einem Preisschild versehen und zu Markte tragen?
Zeitungen seien bislang wesentlich durch Werbung, also indirekt, finanziert worden, sagt Otfried Jarren dazu. Konsumenten hätten damit nie einen echten Preis für die Leistung gezahlt. Sie hätten daher kein Gespür dafür, was diese Leistungen wert sind, und deshalb habe sich kein marktübliches Preis-Leistungs-Verhältnis etablieren können.
Ein Preis für eine bestimmte journalistische Leistung werde eben nicht ausgewiesen. Das ändere sich jetzt zum Teil durch Pay Walls, auch wenn die Erlöse nicht ausreichten.
«Die Massenmedien gehören einer Industrie an, die Leistungen sogar verschenkt - allein um der Reichweite willen. Das wollte die Werbung, die das finanziert hat. Nun aber ist die Werbung auf den Plattformen angekommen», so Jarren weiter.
Und die Massenmedien verlieren damit an Reichweite und an Zahlungsbereitschaft. «Sie müssen nun in ihre publizistischen Angebote investieren, diese mehr unterscheidbar machen, wollen sie dafür Entgelte erhalten», ist sich der emeritierte Publizistik-Professor sicher. «Ein eigentlicher publizistischer Markt muss also etabliert werden.»
In dem jüngst publizierten Papier fordert die Emek ein «Gütesiegel» für journalistische Leistungen. «In allen Märkten, auch im Bildungsmarkt, gibt es Agenturen, die Qualität prüfen, zertifizieren und Siegel zuerkennen. Im Markt der Massenmedien gibt es das bislang nicht», sagt Otfried Jarren.
Medienqualitätsrankings hätten hier schon einiges erreicht, aber das müsse weitergehen: «Aufgrund eines Siegels bei journalistischen Angeboten kann der Nutzer wie die Nutzerin rasch erkennen, wessen Inhalt er oder sie gerade nutzt. Hat sich der Anbieter zu gewissen Regeln verpflichtet?»
Die Nutzer könnten dann entscheiden, wen sie finanzieren wollen. «Das ist so wie beim Kauf einer Waschmaschine oder bei Eiern: Ich achte auf das Label, natürlich!»
Als Zertifizierungsstelle kann sich Jarren vorstellen, dass sich Agenturen bilden und sich in den Wettbewerb begeben - wie dies im Lebensmittelmarkt geschehen ist. «Ich persönlich kann mir beim Journalismus den Presserat vorstellen oder eine Organisation, die die Verbände des Journalismus beauftragen oder konstituieren.»
Ganz oben in den vier Handlungsfeldern, die die Emek definiert hat, steht die Verbesserung des Bildungsangebots. Nun spült es aber jedes Jahr viele journalistische Abgänger zum Beispiel vom MAZ oder von den Universitäten auf den Markt, wo sie auf ein immer kleineres Stellenangebot treffen.
Und viele dieser Abgänger landen schliesslich in der PR oder im Para-Journalismus. Funktioniert das Ausbildungsystem wirklich so, wie es sollte, fragt der Klein Report.
Jarren dazu: «Die Aus- wie Weiterbildung funktioniert gut, sie kann noch stärker unterstützt werden. Hier spielt der Wettbewerb, und das ist gut so. Jede und jeder soll ja auch Journalistin oder Journalist werden und sich weiterbilden können. Und natürlich gibt es auch andere attraktive Kommunikationsberufe. Auch das ist gut so. Uns interessieren journalistische Leistungen und deren Erkennbarkeit und Finanzierbarkeit. Aber wie sieht es mit der Medienkompetenz aus? Da gibt es Handlungsbedarf, nicht allein in den Schulen.»
Angesprochen auf die Leserzahlen in Medien wie zum Beispiel der NZZ, dem «Spiegel» oder der «New York Times» warnt Otfried Jarren davor, davon auszugehen, dass alles so bleibt, wie es ist.
«Ich bin auch froh, dass sich beispielsweise die NZZ so am Markt hält. Zugleich aber sehen wir Konzentrationsprozesse, weniger Titel, weniger selbständige Redaktionen, mehr Zentralredaktionen und so weiter. Fragen Sie mal bei den Kantonen nach, wie diese das sehen!»
Eines sei klar: «Die Problematik 'Vertrauenskrise' ist in der Schweiz - zum Glück - (noch) von geringer Relevanz. Erhalten wir uns das und sorgen wir klug vor. Bleiben wir weit- wie umsichtig», mahnt Jarren.
Man wird sich in den nächsten Jahren daran gewöhnen müssen, einen «fairen Preis für qualitativ gute Leistungen» zu bezahlen. Die grossen Plattformen werden das Geschäft bestimmen.
«Medien im Sinne der Massenmedien werden in Nischenmärkten natürlich einen Platz finden und halten. Zum Glück», gibt sich der Emek-Präsident vorsichtig optimistisch.