Die europäische Stadt unterscheidet sich von der amerikanischen vor allem darin, dass sie nicht so kapitalistisch wie im Monopoly-Spiel funktioniere, erläuterte der Zürcher Publizistikprofessor Otfried Jarren bei einer Fachtagung in Berlin. Im Monopoly fehlten Medien, denn diese könne man nicht ohne Weiteres kaufen. Aus der deutschen Hauptstadt berichtet für den Klein Report Roger Blum.
An der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) in Berlin, die die Kommunikation in urbanen Räumen zum Thema hatte, hielt der Zürcher Publizistikprofessor und Prorektor Otfried Jarren unter dem Titel «MediaPolis oder Monopoly? Stadt und Medien als Gemeinschaftsversprechen» eine der einleitenden Hauptreden. Er verglich Städte und Medien und griff dabei bis in die griechische Antike zurück, als die Versammlung auf der Agora die städtischen Bürger Athens zusammenbrachte, die durch Kommunikation zu politischen Entscheiden gelangten. Städte und Medien erzeugten beide kollektive Orientierung, böten aber auch individuelle Auswahl, sagte Jarren. Beide verlangten und erlaubten die Teilhabe. Stadtentwicklung und Medienentwicklung seien in der Moderne parallel vorangeschritten. Städte seien hochkomplizierte soziale Systeme. Medien trügen in besonderer Weise dazu bei, sich eine Stadt zu erschliessen. Insbesondere Printmedien seien vorwiegend räumlich ausgerichtet und auf Städte bezogen; elektronische Medien hingegen bedienten eher Zielgruppen, die sich sozial ausdifferenzieren, erläuterte Jarren.
Das Monopoly-Spiel, das die Nationalsozialisten wegen seines angeblich jüdisch-kapitalistischen Charakters verboten, präsentiere eine amerikanische Idealstadt und sei heute wieder hochaktuell, fuhr der Zürcher Professor fort. Dominant sei der Privatbesitz; nicht-private Einrichtungen seien billig zu kaufen, und die Medien fehlten gänzlich. Das habe einen Grund, denn Medien könne man nicht ohne Weiteres, nicht ohne öffentliche Diskussion und in Europa zudem nicht ohne wettbewerbsrechtliche Kontrollen kaufen. Medien seien im westeuropäischen Verständnis Teil des öffentlich-politischen Bereichs und nicht allein Objekte privater Handänderungen, betonte Jarren. Monopoly als Stadtmodell passe daher nicht in den europäischen Kontext. In den Nationalstaaten stellten Medien im Wesentlichen die politische Öffentlichkeit her. Heute gebe es neben den auf Städte bezogenen klassischen Massenmedien zunehmend neue Communities, die räumlich nicht begrenzt sind. Das System Öffentlichkeit differenziere sich horizontal und vertikal aus. Jarren warnte davor, dass Meinungsäusserung wichtiger wird als Meinungsbildung. Das schade der demokratischen Öffentlichkeit.