Die Zollverwaltung und das Bundesamt für Gesundheit wollen Bereiche ihrer Tätigkeit für geheim erklären. Der Öffentlichkeits-Beauftragte des Bundes (EDÖB), Adrian Lobsiger, warnt vor einer «Verwässerung» des Öffentlichkeitsgesetzes.
Noch nie wurden von der Verwaltung so viele Dokumente herausverlangt wie im vergangenen Jahr. So gingen insgesamt 919 Zugangsgesuche bei den Behörden ein, 44 Prozent mehr als 2018. In 542 Fällen gewährten die Ämter vollständige Akteneinsicht, in 171 Fällen teilweise Zugang, 86 Mal verweigerten sie die Einsichtnahme.
Wie Adrian Lobsiger in seinem am Mittwoch veröffentlichten Jahresbericht publik machte, gibt es Bestrebungen in der Bundesverwaltung, mit Ausnahmeregelungen das Öffentlichkeitsgesetz auszuhebeln.
So will etwa die Zollverwaltung (EZV) künftig grosse Teile ihrer Tätigkeit zur Verschlusssache erklären. In einem neuen Bundesgesetz über Zoll und Grenzsicherheit sollen «auf freiwilliger Basis gelieferte Daten von Privaten» vom Öffentlichkeitsprinzip ausgenommen werden.
Diese Absicht «widerspricht dem Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgesetzes», schreibt der EDÖB in dem 100-seitigen Bericht. Eine Geheimhaltung dürfe «nur auf Anfrage» der Privatperson und «nur im Einzelfall» zugesichert werden.
«Eine proaktive und generelle Zusicherung durch eine Behörde ist nicht möglich, hat doch selbst der Bundesrat in seiner Botschaft zum Öffentlichkeitsgesetz explizit festgehalten, dass sonst der Zweck des Gesetzes, nämlich die Erleichterung des Zugangs der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten und die Förderung der Transparenz der Verwaltung, unterlaufen wird», so Lobsiger weiter.
Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will das Öffentlichkeitsgesetz umgehen. Preis- und Rückvergütungsmodelle, die zwischen Pharmaunternehmen und Krankenkassen für die obligatorischen Krankenpflegeversicherungen ausgehandelt wurden, sollen künftig geheim gehalten werden. Vereinbarte Rabatte würden so nicht mehr bekannt gegeben.
Dabei ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Pharmaunternehmen bei einer Offenlegung der tatsächlichen Preise nicht mehr bereit wären, solche Preismodelle zu verhandeln.
Dem hält der EDÖB entgegen, dass neben der Bevölkerung auch die konkurrierenden Unternehmen «ein legitimes Interesse daran haben, die Genehmigungspraxis des BAG bei Konkurrenzprodukten überprüfen zu können». Geschäftsgeheimnisse und die Privatsphäre der Unternehmen blieben auch bei Anwendung des Öffentlichkeitsgesetzes explizit geschützt.
Wie auch die Zollverwaltung hat das BAG den Bedenken des EDÖB nicht Rechnung getragen. Die Revision des Krankenversicherungsgesetzes kommt nächstens in die Vernehmlassung. Lobsiger hofft nun, dass das Parlament den Bestrebungen der Ämter «eine Abfuhr erteilen» werde.
Ein drittes Beispiel ist das Beschaffungswesen. Nachdem der Bundesrat im Parlament mit einer weitgehenden Geheimhaltungsklausel für Beschaffungsdokumente abgeblitzt ist, sperrt er jetzt eine Liste weg, auf der wegen Korruption oder Kartellabsprachen sanktionierte Firmen landen und die deshalb von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen sind.
Die auf dem Verordnungsweg erlassene Regel steht im Widerspruch zum im Parlament manifestierten Willen zur Transparenz im Beschaffungswesen.
Doch auch von einer anderen Seite ist das Öffentlichkeitsgesetz unter Druck. Wie der EDÖB schreibt, würden die Bundesbehörden «nunmehr häufiger dazu tendieren, Gebühren zu erheben», wenn Bürger Zugang zu Dokumenten verlangen.
Auch wenn 2019 nur in 31 der 916 Fälle den Einsicht-Suchenden eine Gebühr in Rechnung gestellt wurde, so summierte sich das am Jahresende gemäss EDÖB-Bericht auf stattliche 18’185 Franken.
Dass die Ämter das Öffentlichkeitsprinzip durch die Erhebung von Gebühren aushöhlen könnten, ist auch Thema im Parlament. SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher verlangte in einem vor über vier Jahren eingereichten Vorstoss, dass «nur in begründeten Ausnahmefällen, wenn der Aufwand der Verwaltung in keinem vertretbaren Verhältnis zum öffentlichen Interesse steht», eine Gebühr erhoben werden dürfe.
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates stellte fest, dass in einigen Departementen bereits Rechnungen «über mehrere Tausend Franken» gestellt worden seien. Im letzten Februar kam das Gremium zum Schluss, dass der Grundsatz der Gebührenfreiheit im Öffentlichkeitsgesetz verankert sein sollte. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag ist in der Vernehmlassung.