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Sonntag
14.03.2021

Medien / Publizistik

Sie geben sich bei der «NZZ am Sonntag» die Türklinke in die Hand: Luzi Bernet (l.) tritt wegen Meinungsdifferenzen ab, Jonas Projer tritt als digitaler Erneuerer an. (Bilder zVg)

Sie geben sich bei der «NZZ am Sonntag» die Türklinke in die Hand: Luzi Bernet (l.) tritt wegen Meinungsdifferenzen ab, Jonas Projer tritt als digitaler Erneuerer an. (Bilder zVg)

Der Wechsel an der Spitze der «NZZ am Sonntag» (NZZaS) kommt nicht von Ungefähr: Chefredaktor Luzi Bernet tritt ab wegen Meinungsdifferenzen im Hinblick auf die Zukunft des Titels. 

Jonas Projer wird von der NZZ-Mediengruppe am Freitagmorgen als digitaler Neuerer präsentiert.

Luzi Bernet gibt den Posten ab, weil es zu «unterschiedlichen Auffassungen über die weitere Entwicklung» der «NZZ am Sonntag» gekommen sei, heisst es in einer Mitteilung von der Zürcher Falkenstrasse.

Gespräche über eine «allfällige neue Rolle von Luzi Bernet innerhalb der NZZ-Mediengruppe» seien derzeit im Gange, schreibt der Verlag weiter über den Noch-Chefredaktor, der seit Anfang 2019 auch in der Geschäftsleitung auf Gruppenebene Einsitz hat.

Der aktuelle  Blick-TV-Chef Jonas Projer wird bei der NZZ quasi als digitaler Superman angepriesen, der die siebte Ausgabe der «Neuen Zürcher Zeitung» aufs nächste Level hieven soll. Unter seiner Ägide werde «auch für den Sonntagstitel die Digitalisierung weiter verstärkt werden», damit das Blatt den zukünftigen Ansprüchen «noch besser» gerecht werde.

Doch auch seit Luzi Bernet der Redaktion vorsteht, hat sich der Titel digital weiterentwickelt. Wieso braucht es für die Digitalisierung nun plötzlich einen neuen Mann an der Spitze?

«Der Verwaltungsrat der NZZ-Mediengruppe ist der Meinung, dass die digitale Weiterentwicklung der NZZaS ein langfristiges Projekt ist, das idealerweise über einen längeren Zeitraum von derselben Führungsperson verantwortet werden soll», sagte dazu Seta Thakur, Leiterin der NZZ-Unternehmenskommunikation, gegenüber dem Klein Report. Jonas Projer verkörpere «eine neue Generation», die mit der digitalen NZZaS angesprochen werden soll. 

Der TV-Journalist hat Ringiers Boulevardpresse in ein Online-Videoportal übersetzt, das er selbst einmal als «CNN der Schweiz» bezeichnet hat. Darauf angesprochen, welche Rolle Video Content künftig bei der NZZaS spielen werde, konnte Thakur «zum jetzigen Zeitpunkt» keine Auskunft geben.

«Der Print-Ausgabe der ‚NZZ am Sonntag‘ kommt nach wie vor eine zentrale Rolle zu, und wir glauben, dass sie noch viele Jahre eine Zukunft hat. Gleichzeitig müssen wir den digitalen Wandel aber auch bei unserem Sonntagstitel vorantreiben», wird Etienne Jornod, Präsident des Verwaltungsrates der NZZ-Mediengruppe, zitiert.

Bei der Blick-Gruppe lässt man Jonas Projer offenbar ungern ziehen. Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe, bedauerte seinen Abgang in der Verlautbarung von der Dufourstrasse. Immerhin verlasse Projer Blick TV, nachdem die Aufbauarbeit «abgeschlossen» sei.

Die Lücke füllen muss kurzfristig das bisherige Leitungsteam von Blick TV, das die Führung ad interim übernimmt. Dazu gehören Sandra Fröhlich (Leiterin Reporter und Tagesleiter), Stephanie Seliner (Leiterin Redaktoren und Moderation), Dominik Stroppel (Leiter Formate), Beat Vontobel (Leiter Technik), Daniel Egli (Leiter Planung) und Reto Scherrer (Senior Anchor).

Jonas Projer ist seit Mai 2019 Chefredaktor von Blick TV, das im Februar 2020 digital auf Sendung ging. Davor war er während fünf Jahren Redaktionsleiter der «Arena» beim Schweizer Fernsehen SRF. Von 2011 bis 2014 berichtete er als TV-Korrespondent für SRF aus Brüssel. Bei dem Sender eingestiegen war Projer 2006 als Redaktor von «Schweiz Aktuell». 

Ursprünglich studierte er Germanistik, Anglistik und Filmwissenschaften an der Uni Zürich, um dann an die Zürcher Hochschule der Künste zu wechseln, wo er die Filmklasse abschloss.

Der abtretende Chefredaktor Luzi Bernet gehörte 2002 zum Gründungsteam der «NZZ am Sonntag», genauso wie sein Vorgänger Felix E. Müller, von dem er 2017 den Posten übernahm.