Nachdem bekannt wurde, dass Felix E. Müller, Chefredaktor der «NZZ am Sonntag», dieses Jahr in Pension gehen wird, macht sich in der Redaktion grosse Verunsicherung breit. Die Redaktion hat einen Appell für mehr Eigenständigkeit verfasst und dieser wurde dem Verwaltungsrat übergeben.
Wie ein langjähriger Mitarbeiter der «NZZ am Sonntag» am Freitag gegenüber dem Klein Report sagt, «hat eine Mehrheit der Redaktion den Appell unterschrieben».
Etienne Jornod, der Vewaltungsratspräsident NZZ-Mediengruppe, sucht einen Nachfolger für Müller. Bis im Sommer soll der Entscheid fallen, schreibt der «Tages-Anzeiger». Die Redaktoren sind gespannt und auch etwas besorgt. Denn es wird befürchtet, dass es nun auch bei der «NZZ am Sonntag» zu einer politischen Kursänderung wie beim Mutterblatt kommen könnte.
Die Redaktion hat deshalb eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Ressorts gebildet, die einen Brief an den Verwaltungsrat aufgesetzt hat. Es ist ein Appell für publizistische Eigenständigkeit und Unabhängigkeit, so der «Tages-Anzeiger» weiter. Die Belegschaft wünscht sich einen eigenen Chefredaktor für das Blatt, das jenem der «Neuen Zürcher Zeitung» nicht unterstellt ist - also zwei getrennte Redaktionen.
«Der Brief ist abgeschickt», erklärt ein NZZ-Insider am Freitag gegenüber dem Klein Report. «Eine Mehrheit der Redaktoren und Redaktorinnen hat unterschrieben. Natürlich hoffen alle, dass sich Etienne Jornod Zeit dafür und die Anliegen der Belegschaft auch ernst nimmt», so ein langjähriger Mitarbeiter zum Klein Report. «Einige haben nicht unterschrieben, weil die Forderung nach einer Chefredaktorin nicht explizit vorkam.»
Ein paar Tage nach dem Tag der Frau schlechte Nachrichten. Eine Chefredaktorin für die «NZZ am Sonntag» liegt in weiter Ferne: Denn bis jetzt fallen nur Namen von Männern, wenn es um die Nachfolge von Felix E. Müller geht. Dazu gehört Francesco Benini, der stellvertretende Chefredaktor und Leiter Inland der «NZZ am Sonntag», wie der Klein Report bereits berichtet hat.
Zu den möglichen Nachfolgern Müllers gehören aber auch Pascal Hollenstein, Super-Chefredaktor der Regionalzeitungen in der Ost- und Innerschweiz, Lutz Bernet, Ressortleiter Inland, und Alain Zucker, der kürzlich vom «Tages-Anzeiger» zur «NZZ am Sonntag» gewechselt ist und erfolgreich als Blattmacher fungiert.
Die einzige Frau, die intern genannt wird und auf genügend breite Unterstützung zählen könnte, ist Wirtschaftsredaktorin Charlotte Jacquemart.
Sie hat sich aber selbst aus dem Rennen genommen. Nach einem Weiterbildungsurlaub an der Journalistenschule der Universität Berkeley an der US-Westküste wechselt sie im Juni zum Radio SRF, wie der Klein Report berichtet hat. Ihr Engagement bei der Schliessung der Druckerei Schlieren hat ihr vor allem der Verwaltungsrat übel genommen.
Klar sind bei der Nachfolge von Felix E. Müller eigentlich nur zwei Fakten: Es dürfte keine Chefredaktorin geben und Eric Gujer, Chefredaktor der NZZ, wird nicht zum Super-Chefredaktor für beide Publikationen ernannt.
Wie der Klein Report von verschiedenen Stellen gehört hat, ist Eric Gujer nach einigen internen Umstruktuierungen etwas angeschlagen. Keine gute Voraussetzung also für eine mögliche Doppelbelastung.