Mit dem neuen «Netzwerkdurchsetzungsgesetz» (NetzDG) will Deutschland Hate Speech und Fake News bekämpfen. Nach sechs Monaten haben Facebook und Youtube Zahlen zu ihren Löschungen veröffentlicht. Kritiker befürchten, dass die Informationsfreiheit beschnitten wird.
Da seit Anfang 2018 soziale Netzwerke unter Androhung saftiger Strafen verpflichtet sind, illegale Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu entfernen, durchforsten Youtube, Facebook und Co. ihre Seiten minutiös nach verdächtigen Inhalten. Und löschen, ohne lange zu zögern.
Bei den Löschungen berufen sich Facebook und Youtube auf ihre Community Standards. In diesem digitalen «Hausrecht» definieren sie, was ihre User veröffentlichen dürfen. Und räumen sich das Recht ein, auch Inhalte zu löschen, die von der Meinungsäusserungsfreiheit eigentlich gedeckt wären. Sprich: Die Netzwerke dürfen auch Inhalte löschen, die gegen keine Strafnormen verstossen.
So gerieten bei Youtube seit Januar nach Unternehmensangaben über 215'000 Videos unter Verdacht, weil sie von Usern gemeldet wurden. Etwa 27 Prozent davon, also mehr als 58'000 Clips, hat die Google-Tochter tatsächlich gelöscht. Youtube-User können recht einfach per Häkchen Videos beanstanden.
Nur 886 Beanstandungen warens im gleichen Zeitraum bei Facebook, die sich nach eigenen Angaben auf 1704 Inhalte bezogen. Das Meldeprozedere ist jedoch viel komplizierter als jenes von Youtube; die User müssen die mutmasslichen Verstösse in einem eigenen Formular benennen. Facebook löschte 21 Prozent der gemeldeten Posts.
Wie viele Inhalte Facebook aufgrund eigener Standards in Deutschland gelöscht hat, bleibt dagegen das Geheimnis des Zuckerberg-Konzerns. Es dürfte sich um ein Vielfaches der Beanstandungen handeln. Im Transparenz-Report schreibt Facebook, seit Januar 2018 weltweit etwa 2,5 Millionen «Hate Speech»-Posts gelöscht zu haben. 2017 hatte das Netzwerk in Deutschland monatlich rund 15'000 Posts entfernt.
Kritiker befürchten Löschexzesse. Die deutsche Regierung habe mit dem neuen Netzwerkdurchsetzungsgesetz «private Unternehmen zu Richtern über die Presse- und Informationsfreiheit im Netz gemacht», kritisiert Reporter ohne Grenzen (ROG) das neue Gesetz. Und dies, «ohne eine öffentliche Kontrolle des Löschverfahrens sicherzustellen».
Seit Längerem zirkuliert in der medienpolitischen Debatte das Argument, dass Facebook, Youtube und Co. längst nicht mehr nur Tech-, sondern eigentliche Medienunternehmen sind, wo sich die Menschen auch über politische oder gesellschaftliche Themen informieren. Von hier aus fordert die Journalistenorganisation, dass die User auf den Netzwerken «alles sagen können müssen, was nicht gegen Gesetze verstösst». Daher müssen die Löschverfahren der Sozialen Medien kontrolliert werden, so die Forderung.