Der Protest der Mitarbeitenden von «Bund» und «Berner Zeitung» gegen die redaktionelle Kernschmelze ist laut und gut sichtbar. Nach dem medienwirksamen Onlinemanifest protestierte die Belegschaft diese Woche auf der Strasse.
Kaum sichtbar dagegen ist, wie hinter den Kulissen eine Gruppe aus Bundesparlamentariern versucht zu retten, was vom «Berner Modell» noch zu retten ist.
Der Klein Report sprach mit dem Berner SVP-Nationalrat Lars Guggisberg über die Tätigkeit und die Stossrichtung dieser informellen Gruppe, zu der Nationalräte und ein Ständerat unterschiedlicher politischer Couleur gehören.
Aufgeschreckt worden waren Guggisberg und seine Mitstreiter, als Tamedia Ende November leise ankündigte, dass «Bund» und BZ in Zukunft «enger zusammen» rücken sollten.
Postwendend wandte sich die Gruppe an den Berner Regierungsrat. In einem Brief protestierte sie bei der Kantonsregierung gegen den befürchteten Kahlschlag.
«Bereits heute bestehen ‚Bund‘ und BZ zu einem grossen Anteil aus gleichlautenden Medienberichten des Zürcher ‚Tages-Anzeigers’. Dieser Prozess wird durch die Zusammenlegung der Redaktionen weiter verschärft. Als Feigenblatt bleiben praktisch nur noch die Deckseiten erhalten», steht in dem Schreiben, datiert vom 1. November 2020.
Neben Lars Guggisberg finden sich auf dem Papier die Unterschriften von SP-Ständerat Hans Stöckli sowie von den Nationalratsmitgliedern Melanie Mettler (GLP), Regula Rytz (GPS), Christian Wasserfallen (FDP) und Matthias Aebischer (SP).
«Nach dem Brief suchten wir auch das Gespräch mit dem Regierungsrat. Wir haben ihn darauf aufmerksam gemacht, dass die Erhaltung der Medienvielfalt ein Auftrag sei, den die Kantonsverfassung in Artikel 46 vorschreibt», sagt Lars Guggisberg gegenüber dem Klein Report.
Ende Jahr gelangte die von Guggisberg koordinierte Gruppe dann an die Tamedia-Spitze. «Wir haben darauf hingewiesen, dass man den Kanton Zürich nicht mit dem Kanton Bern vergleichen kann», sagt der SVP-Nationalrat und Rechtsanwalt, der in Kirchlindach ein paar Kilometer nördlich der Hauptstadt wohnt.
«Vom Berner Jura bis Hasliberg sind die Differenzen in Kultur und Mentalität grösser als im Kanton Zürich. Diese unterschiedliche Heterogenität muss man in der regionalen Berichterstattung unterschiedlich behandeln», sagt Lars Guggisberg.
Dass sich Volksvertreter, die eigentlich für die nationale Politik gewählt worden sind, um die medienpolitischen Schmerzen eines einzelnen Kantons kümmern, ist zumindest bemerkenswert.
«Eigentlich ist es der Kanton, der die Medienvielfalt gewährleisten muss», sagt Guggisberg, der 2019 vom Grossrat des Kantons Bern in den Nationalrat wechselte. «Wir als nationale Parlamentarier probieren einfach mitzuhelfen. Der Ball liegt aber ganz klar beim Kanton.»
Tamedias Fusionsentscheid macht dem Berner Nationalrat gar keine Freude. «Es besteht Gefahr, dass die Medienvielfalt verloren geht.» Denn es sei schliesslich kein Geheimnis, dass die Journalisten beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) «zum grossen Teil links» seien, sagt Guggisberg.
Der Zürcher Medienkonzern von der Werdstrasse steht in der Kritik, das langsame Sterben von «Bund» und BZ in den letzten Jahren zu sehr in Kauf genommen und zu wenig in die Zukunft des «Berner Modells» investiert zu haben.
Diese Kritik teilt auch Lars Guggisberg. In Zukuft soll in «Bund» und BZ der gleiche Bericht jeweils mit unterschiedlichen Kommentaren versehen werden. Davon hält er nicht viel. «Das Problem ist doch, dass die politische Meinung des Journalisten auch in der vermeintlich neutralen Berichterstattung durchdrückt.» Nur mit unterschiedlichen Kommentarspalten sei es noch nicht getan.
Guggisbergs Gruppe hofft, dass das «Berner Modell» in irgendeiner Form gerettet werden kann. Es geht ihr aber nicht nur um die Abbaupläne bei Tamedia. Diese seien nur der Auslöser gewesen. «Im Grundsatz geht es uns um die Medienvielfalt.»
Und so will die sechsköpfige Parlamentsgruppe auch über Tamedia hinaus sich ums Überleben der vierten Gewalt kümmern, Massnahmen diskutieren und das Gespräch zu Verlegern und Behörden suchen.
Spruchreif sei noch nichts, sagt Lars Guggisberg zum Schluss gegenüber dem Klein Report. Nur so viel wird klar: Der Gruppe geht es nicht nur darum, Geld zu verschieben. «Viel läuft über die Organisation», sagt der Nationalrat.