Mit Karacho geht der Ab- und Umbau beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) voran. Im Januar werden 66 Stellen gestrichen und 89 neue geschaffen. Und im Herbst 2021 sollen nochmals 145 Stellen den Transformations- und Sparplänen zum Opfer fallen.
Der Klein Report sprach mit SRF-Direktorin Nathalie Wappler über die einschneidenden Personalmassnahmen und den angeblichen Corona-Kater bei der Werbevermarktung.
SRF will Personal abbauen und Kosten einsparen. Nun sollen im Januar aber mehr Stellen geschaffen als gestrichen werden. Das wirkt widersprüchlich...
Nathalie Wappler: «Unsere Pläne müssen in einem grösseren Kontext betrachtet werden: SRF wird bis 2022 in zwei Etappen einen Stellenabbau und einen Stellenaufbau vornehmen. Unter dem Strich werden – über beide Etappen zusammen – 116 Stellen abgebaut. Insgesamt sind es jedoch 211 Vollzeitstellen, die abgebaut werden sollen, weil eben gleichzeitig auch 95 Stellen aufgebaut werden. Es handelt sich hierbei um Planzahlen, die sich noch verändern können...»
...im Januar erfolgt also nur der erste Schritt?
Wappler: «Im Januar steht nun die Umsetzung der ersten Etappe an, die bereits einen Grossteil des fürs ganze Jahr geplanten Stellenaufbaus umfasst. Dabei handelt es sich um Stellen und Berufsbilder, die wir für die digitale Transformation benötigen. Unser Ziel ist es, möglichst viele dieser neuen Stellen mit bestehenden Mitarbeitenden zu besetzen.»
Wann genau wird der Rest der angekündigten Massnahmen umgesetzt?
Nathalie Wappler: «Für Herbst 2021 ist die zweite Etappe des Stellenabbaus vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt sollen nach aktuellem Stand der Planung weitere 145 Stellen abgebaut und 6 neue Stellen geschaffen werden.»
Können Sie das noch ein bisschen konkreter ausführen?
Wappler: «Die detaillierte Planung nehmen wir im Frühling auf, weshalb ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine weiteren Angaben zur Umsetzung machen kann. Insbesondere wissen wir heute noch nicht, wie viele Umschulungen oder interne Wechsel möglich sind, wie viele Frühpensionierungen es geben wird und wo wir die natürliche Fluktuation nutzen können.»
Sind weitere neue Stellen geplant?
Nathalie Wappler: «Wie bereits erwähnt, sollen im Herbst 2021 weitere 6 neue Stellen geschaffen werden. Auch hier handelt es sich um Planzahlen. Wo genau diese neuen Stellen und Berufsbilder angesiedelt werden, ist zum heutigen Zeitpunkt noch offen. Dies auszuarbeiten ist Teil der Aufgaben, die wir ab Frühling im Hinblick auf die Umsetzung der zweiten Etappe der Personalmassnahmen in Angriff nehmen.»
SRF hat angekündigt, dass es auch zu Kündigungen kommen wird. Wie viele Mitarbeitende werden davon betroffen sein? Falls noch keine konkreten Zahlen vorliegen: Von welcher Grössenordnung reden wir?
Wappler: «Dieser Prozess ist in vollem Gang, es wird in den kommenden Wochen noch viele Gespräche dazu brauchen. Momentan geht es darum, innerhalb der Abteilungen zu klären, wo und wie genau die Personalmassnahmen umgesetzt werden. Diesen Prozess wollen wir mit der grösstmöglichen Sorgfalt durchführen. Berücksichtigt werden die natürliche Fluktuation, die Möglichkeiten für Frühpensionierungen, Umschulungen oder interne Stellenwechsel innerhalb der ganzen SRG. Erst wenn all diese Optionen ausgelotet sind, werden wir Kündigungen aussprechen. Unser erklärtes Ziel ist es, die Anzahl der Kündigungen möglichst tief zu halten.»
Den Stellenabbau hatte SRF unter anderem mit rückläufigen Werbeeinnahmen begründet. «Aufgrund der rückläufigen Einnahmen aus Werbung und Sponsoring wird SRF bis 2022 nochmals 16 Millionen Franken sparen müssen», hiess es am 6. Oktober. Gemäss Recherchen des Klein Reports und Informationen vonseiten Admeira ist die SRG-Vermarkterin bis Ende Jahr bezüglich TV-Werbung seit Längerem ausgebucht. Es gebe nur noch einzelne Restplätze. Wie ist das mit der mehrfach wiederholten SRF-Aussage von «rückläufigen Werbeeinnahmen» in Einklang zu bringen?
Nathalie Wappler: «Die umsatzstärksten Perioden in der TV-Werbung sind jeweils im Frühling und im Herbst. Vor Weihnachten ist das TV-Werbeangebot vor allem in der umsatzstarken Primetime jedes Jahr sehr stark ausgelastet. Nach einem Einbruch seit Frühling ist aktuell im vierten Quartal zwar eine Zunahme der Nachfrage spürbar. Leider kann diese Zunahme die Ausfälle nicht kompensieren.»
Hat sich nicht gerade durch Pandemie und Lockdown die TV-Werbesituation ziemlich geändert und den TV-Anbietern eine Trendumkehr beschert?
Wappler: «Gerade im Informationsbereich gibt es in der Coronakrise eine höhere TV-Nutzung. Diese konnte den Verlust in der Nutzung wegen der wegfallenden Sportübertragungen aber nicht kompensieren. Bei den Werbeeinnahmen kommt hinzu: Viele werbetreibende Unternehmen sind in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, sie bleiben bei der Buchung von Werbung zurückhaltend. Bei der SRG hatte auch die Absage von Sportanlässen stark negative Auswirkungen auf die Werbeeinnahmen. Insbesondere sind dieses Jahr wegen Corona die Olympischen Spiele und die Fussball Europameisterschaften ausgefallen.»
Durch die Konsolidierung im Schweizer Medienmarkt ist ja bekanntlich auf der Vermarktungsseite ein Duopol mit der SRG und der zur TX Group gehörenden Goldbach im TV-Bereich entstanden. Diese beiden Player teilen sich grossmehrheitlich die Gelder des nicht ganz kleinen TV-Kuchens. Weshalb kann die SRG nicht besser davon profitieren, wenn man die mantraartigen Aussagen zum Werberückgang berücksichtigt?
Nathalie Wappler: «Generell führen das zunehmende Medienangebot und die digitalen Nutzungsmöglichkeiten für Konsumentinnen und Konsumenten zu einer Verteilung der Nutzung auf viel mehr Inhalte und Kanäle. Deshalb sinken die Reichweiten der einzelnen Angebote und damit auch die Werbepreise. Bei der SRG kommen zwei weitere Faktoren hinzu: Im Zentrum der Angebotsgestaltung stehen im Gegensatz zu rein kommerziellen Medienanbietern nicht die kommerziellen Erträge. Ausserdem fallen bei uns die Einnahmen aus dem Umfeld von Sportanlässen stärker ins Gewicht als bei anderen Anbietern, was insbesondere in diesem Jahr starke Auswirkungen hatte.»